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20. November 2017

Vorschläge zu Systemwechseln in der Pflegeversicherung

Im folgenden Beitrag sind verschiedene Positionen zum aktuellen Zustand und möglichen Veränderungen in der Pflegeversicherung zusammengefasst. Diese können als Einführung in die verschiedenen Positionen bzgl. dieses Teils der Sozialversicherungen verstanden werden, sollen aber keine ausgewogene Diskussion ersetzen.

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Der Deutsche Evangelische Verband für Altenarbeit und Pflege (DEVAP), zu dem Einrichtungen und Dienste der bundesweiten Altenhilfe zählen, fordert einen Paradigmenwechsel bei der Pflegeversicherung. Die DEVAP stellt strukturelle Fehler innerhalb der Pflegeversicherung als Hauptursache für die erheblichen Probleme hinsichtlich der Personalausstattung und Finanzierung der ambulanten und stationären Anbieter heraus. Trotz der Reformen ließen sich in der Pflege hierzulande Schwierigkeiten erkennen. Laut dem DEVAP-Vorsitzenden sichere die Pflegeversicherung schon seit geraumer Zeit nicht mehr das Lebensrisiko der Pflegebedürftigkeit ab. Folglich hat die DEVAP ein neues Positionspapier mit dem Titel „Weiterentwicklung der Pflegeversicherung“  herausgebracht. Dies thematisiert die viel zu hohen Kosten für pflegebedürftige Personen und das damit zusammenhängende Risiko von Armut. Untermauert werden diese Thesen mittels skizzierter Beispiele. In Begründung der Ausführungen innerhalb des Positionspapiers fordert die DEVAP einen Paradigmenwechsel, der den Umbau der Pflegeversicherung hin zu einer echten Pflegeteilkaskoversicherung in den Mittelpunkt stellt. Damit ist gemeint, dass die Pflegeversicherung, unabhängig von einer ambulant oder stationär erfolgten Pflege, alle notwendigen Kosten der Pflege übernimmt und dem Versicherten einen fixen, festzulegenden Eigenanteil in Rechnung stellt. Zudem hält die DEVAP die Einbindung der zivilen Gesellschaft und eine sichere Personalausstattung für die Zukunft für notwendig. Demnach wird auch die Forderung der DEVAP laut, die generalisierte Pflegeausbildung umzusetzen sowie die unter den Fachkräften angesiedelten Qualifikationen als Pflegehelfer/in auszubauen.

Die Vereinigung der Bayrischen Wirtschaft (vbw), die sich als Interessenvertretung von bayrischen Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbänden versteht, warnt im Hinblick auf den demografischen Wandel vor einem starken Wachstum der Kosten in den durch Umlagen finanzierten sozialen Sicherungssystemen. Demnach würde durch den antizipierten Anstieg der pflegebedürftigen Menschen ein Systemwechsel erforderlich sein. Der Hauptgeschäftsführer des vbw erwartet ohne einen solchen Systemwechsel die kostenbezogene Überforderung der Beitragszahler/innen und der Unternehmen und kritisiert diesbezüglich die Politik. Diese habe im Sinne einer Umsteuerung versagt und mit der Pflegereform lediglich die Belastung der Arbeitnehmer/innen und damit vor allem der jüngeren Generationen erhöht. Dies sei keine Problemlösung, sondern nur ein Aufschub dieser. Im Hinblick auf diese Debatte hat die vbw eigene Ideen in Form eines Konzeptes der Pflegevorsorge vorgelegt. Demnach sollen die derzeit gezahlten Arbeitgeberanteile eingefroren und stattdessen als Zusatzeinkommen an die Arbeitnehmer/innen zur Finanzierung einer verpflichtenden privaten Zusatzversicherung ausgezahlt werden. Der bisherige Leistungsumfang für die gegenwärtig pflegebedürftigen Personen solle erhalten bleiben und hinsichtlich der künftig Pflegebedürftigen eine Aufstockung durch den Staat erfolgen. Dies diene der Förderung des Wettbewerbs zwischen Anbietern und würde das System effizienter gestalten, so vbw-Hauptgeschätsführer. In den Vorschlägen der vbw wird allerdings nicht verdeutlicht, dass somit die Kosten der Arbeitgeber/innen nicht erhöht würden und die Arbeitnehmer/innen – wenn sie dieses bei stagnierenden Löhnen überhaupt könnten – mehr in private Versicherungen einzahlen müssten. So könnte vor allem die Versicherungsbranche durch eine größere Zahl von staatlich beworbenen Aufträgen als Hauptgewinnerin gesehen werden.

Daneben hat der Bremer Gesundheitsexperte Heinz Rothgang ein Gutachten, welches von der Initiative Pro-Pflegereform in Auftrag gegeben wurde, erstellt. In dem Gutachten werden zwei grundsätzliche Fehler der aktuellen Pflegeversicherung benannt. Demnach werden auch die nur teilweise Kostenübernahme durch die Pflegekassen und die damit verbundene Angewiesenheit auf Sozialhilfeleistungen sowie die Unterschiede in den Leistungen hinsichtlich der Trennung zwischen ambulant und stationär erfolgter Versorgung ausgeführt. Im Rahmen des Gutachtens stellt Rothgang Lösungen der beiden Probleme vor. Entsprechend solle die Pflegeversicherung zu einer vollumfänglichen Versicherung durch einen deutlichen Anstieg der Versorgungsleistungen werden sowie parallel einen Sockelbetrag hinsichtlich der Selbstbeteiligung einzuführen. Zudem skizziert Rothgang drei Reformszenarien, die die Pflegeversicherung verbessern und / oder die Forderungen im Hinblick auf die Reformen erfüllen würden.

Außerdem gibt es Forderungen bezüglich Änderungen an der Pflegereform von diversen Gesundheitsexpert/innen. Damit ist das dritte Pflegestärkungsgesetz  angesprochen, welches nach Meinung der Expert/innen vor allem für pflegebedürftige Menschen mit Behinderung eine Verschlechterung darstellen würde. Kritisiert wird in diesem Rahmen u.a. vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV)  der Vorrang der Leistungen der Pflegeversicherung gegenüber den Leistungen der Eingliederungshilfe. Entsprechend fordern der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge (DV), der Deutsche Städtetag sowie der Deutsche Landkreistag und der Gesundheitsökonom Stefan Greß von der Hochschule Fulda, dass die Leistungen für Menschen mit Behinderung sachgerecht von den Pflegeversicherungen zu finanzieren seien. Zudem müsse die Gesetzgebung laut der Verbraucherzentrale Bundesverband als übergeordnetes Ziel die Entwicklung eines bedarfsgerechten Leistungskataloges zur Verhinderung von Lücken in der Versorgung verfolgen.

Diese Inhalte sowie weitere Ausführungen können Sie in Beiträgen des Ärzteblattes nachlesen:

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