Noch bis in die neunziger Jahre galt Homosexualität unter Männern als Straftatbestand. 2017 hatte der Deutsche Bundestag entschieden, Opfer des Paragraphen auf Antrag nachträglich zu entschädigen. Der Entschädigungskreis soll nun erweitert werden.
Unter dem §175 des Strafgesetzbuches (StGB) standen Schwule jahrzehntelang unter Verfolgung. Der Paragraph trat bereits 1872 in Kraft, wurde durch die Nationalsozialist/innen sogar noch drastisch verschärft, in dem die Höchststrafe auf bis zu fünf Jahre hochgesetzt wurde. In der Bundesrepublik hielt man nach Ende des Zweiten Weltkrieges noch Jahrzehnte an der Fassung des Hitlerfaschismus fest, bis zu den Reformen 1969 bis 1973. Ersatzlos gestrichen wurde §175 StGB allerdings erst 1994.
Nach den verschiedenen Fassungen des Paragraphen wurden etwa 140.000 Männer verurteilt. Der Deutsche Bundestag hatte daher im Jahr 2017 entschieden, Opfer des Paragraphen nachträglich auf Antrag zu entschädigen. Diese Regelung bezog sich allerdings nur auf verurteilte Opfer. Menschen, die durch den Paragraphen ohne richterliche Verurteilung Schaden nahmen (z.B. durch berufliche Nachteile, Verfahren, Rufmord etc.), haben bislang keinen Anspruch auf Entschädigungszahlungen.
Allerdings werden nun im Zuge der aktuellen Haushaltberatungen vom Justizministerium Verwaltungsrichtlinien für eine Erweiterung des Entschädigungskreises erarbeitet.
Die SPD-Abgeordneten Karl-Heinz Brunner und Johannes Kahrs erklären in einer gemeinsamen Presseerklärung:
„Nicht alles war Recht war, ist auch heute richtig. Wir haben den Entschädigungskreis der Opfer des §§ 175, 175a StGB/§151 StGB-DDR erweitert. Nun erfahren auch Menschen Gerechtigkeit, die allein durch die Anklage wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen Schaden erlitten haben.
Nachdem seit 2017 bereits die verurteilen Opfer entschädigt werden, sind wir nun einen Schritt weiter gegangen. Denn nicht nur eine Verurteilung, auch der bloße Verdacht oder die Anklage haben Menschen an den Rand des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ruins gebracht. Konkret soll dazu weiterhin das Bundesamt für Justiz im Rahmen einer Einzelfallprüfung den Grad des erlittenen Schadens sowie die Höhe der finanziellen Entschädigung festlegen.“