Der demografische Wandel, die Engpässe beim Gesundheits- und Pflegepersonal und die Frage einer „mobilisierenden“ Infrastruktur: Was allgemein bereits als – zumindest schwer lösbares – Problem bekannt ist, spitzt sich zu, wenn man in die ländlichen Regionen blickt.
Die meisten Menschen wünschen sich, ihren Lebensabend selbstbestimmt und gut versorgt in den eigenen vier Wänden zu verbringen – unabhängig vom Wohnort. Doch ohne die immense Unterstützung durch familiäre, nichtberufliche Pflege wäre dieses Modell bereits jetzt nicht umsetzbar. Auf dieses wenig überraschende Ergebnis verwies die Caritas zuletzt bereits in einem Artikel von 2020. Liest man diesen weiter, zeigt sich ein Teufelskreis, der bis heute nicht gelöst ist – auch wenn es immer wieder Modellprojekte gibt.
Durch die Abwanderung der Jugend und Berufstätigen, die vor allem in strukturschwachen Regionen zu einem überdurchschnittlichen Bevölkerungsrückgang führt, verändert sich das Verhältnis zwischen jungen und älteren Menschen. Es entstehen sowohl:
- Schwierigkeiten, ausreichendes medizinisches und pflegerisches Personal zu finden,
- als auch ein Wegbrechen der Unterstützung durch abgewanderte Angehörige.
Hinzu kommen regionale Unterschiede in der Inanspruchnahme ambulanter Pflegedienste und große Versorgungslücken bei Fachärzt*innen und Psychotherapeut*innen sowie fehlende spezialisierte Versorgung, beispielsweise für Demenzpatient*innen.
Dabei mag eine Lösung durchaus in der Digitalisierung liegen. Allerdings ist Digitalisierung ein riesiges Schlagwort, unter dessen Schirm man aufpassen muss, andere Bereiche nicht aus den Augen zu verlieren. Wie Josef Lüttig, Diözesan-Caritasdirektor in Paderborn, festhält, braucht die Entwicklung ländlicher Regionen jedoch weit mehr als Wirtschaftsförderung und moderne Infrastruktur wie Mobilfunk oder Highspeed-Internet. Essenziell sind Maßnahmen, um die Grundversorgung sicherzustellen, wie die Unterstützung von Pflegediensten, kleinen Krankenhäusern, Nahverkehr und Bildungseinrichtungen. Wohlfahrtsverbände übernehmen hier oft die Versorgung entlegener Gebiete, insbesondere da Fahrtwege nicht refinanziert werden.
Lüttig forderte bereits 2020 daher einen „Demografie-Bonus„, der explizit über das Digitale hinausgeht und Gesundheit, ÖPNV und Bildung miteinschließt. Andernfalls würden „manche Regionen weiter ausbluten“.
Auch wenn sich hinter dieser Forderung eine weitere, vermutlich langwierige Diskussion verbirgt, wo, was und wie genau gefördert werden sollte, macht die Formulierung von Lüttig zumindest den Bedarf deutlich, gewissen Förderbedarf so genau zu definieren, dass ihre Förderung nicht durch andere Bereiche abgegriffen werden kann, die aufgrund aktueller Trends oder vermeintlich schnellerer Ergebnisse vorrangig gefördert würden.