Knapp drei Jahrzehnte nach Einführung der Pflegeversicherung habe sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass das gegenwärtige System an seine Grenzen stoße. Kleine Reformen würden die wesentlichen Probleme nicht lösen. In einem Positionspapier fordert die BAGSO eine grundlegende Neuausrichtung.
1995 wurde die soziale Pflegeversicherung als eigenständiger Sozialversicherungszweig eingeführt. Knapp dreißig Jahre später habe sich laut Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) die Erkenntnis verfestigt, dass das derzeitige System nicht mehr zeitgemäß sei. Wesentliche Probleme blieben ungelöst. Dazu zählt die BAGSO beispielsweise die permanente überschrittenen Belastungsgrenzen professioneller Pflegekräfte, die Zunahme älterer und pflegebedürftiger Menschen und das Defizit an spezifischen Angeboten. Problematisch sei zudem, dass ein großer Teil der Sorge- und Pflegearbeit auf pflegenden Angehörigen laste, viele befänden sich in extremen Belastungssituationen.
In einem 16-seitigen Positionspapier mit dem Titel „Sorge und Pflege: Neue Strukturen in kommunaler Verantwortung“, dass der BAGSO-Vorstand im Mai verabschiedet hat, fordert der Dachverband eine Neukonzeption der Pflege in Deutschland. Unter anderem müssten den Kommunen die Steuerungs- und Gestaltungsverantwortung für die Altenhilfe und Pflege zugewiesen werden, die mit der Einführung der Pflegeversicherung (SGB XI) stark eingeschränkt worden sei. „Dem Quartiersansatz folgend muss Sorge und Pflege lokal gedacht und sozialraumbezogen sowie sektorenübergreifend organisiert werden“, heißt es in dem Papier. „Ziel muss sein, Lebensorte zu fördern und zu entwickeln, in denen altengerechtes Wohnen und individuell ausgerichtete unterstützende Hilfsangebote zur Verfügung stehen und Teilhabe möglich ist.“
Des Weiteren müssten präventive Angebote der Altenhilfe nach § 71 SGB XII ausgebaut werden. Darunter fallen beispielsweise Begegnungsstätten und Informations- und Beratungsstellen, in der Realität führe die Vorschrift jedoch ein „Schattendasein“. Vielerorts seien entsprechende Angebote gar nicht oder nur eingeschränkt verfügbar. Zuletzt berichteten wir im Rahmen des vom Berliner Seniorenbeirat eingebrachten Altenhilfestrukturgesetzes über die Norm.
Im Falle der Pflegebedürftigkeit dürfe Pflege nicht arm machen, dies sei derzeit häufig der Fall. So müssten unter anderem die Eigenanteile nachhaltig begrenzt werden. Außerdem stellt die BAGSO klar: „Pflege hat sich zu einem lukrativen Markt entwickelt, in dem Wirtschaftlichkeitsaspekte eine immer stärkere Rolle spielen. Die Qualität der Pflege und die Beiträge zur Pflegeversicherung dürfen aber nicht von Renditeerwartungen von Leistungserbringern und Investoren dominiert werden; zumindest müssen Grenzen definiert werden.“