Am 02.07.2020 hat der Bundestag dem Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz zugestimmt. Nach monatelangen Protesten von Betroffenen ist der ursprüngliche Entwurf abgemildert worden, Kritik gibt es jedoch weiter.
Mit einem neuen Gesetz wollte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Qualitätsstandards für die Intensivpflege festlegen, die es im Gegensatz zu anderen Bereichen des Gesundheitswesens für die Intensivpflege bislang noch nicht gab. „Intensiv-Pflegebedürftige sollen besser versorgt, Fehlanreize in der Intensivpflege beseitigt und die Selbstbestimmung der Betroffenen gestärkt werden. Außerdem soll der Zugang zur medizinischen Rehabilitation verbessert werden“, heißt es zu den Zielen des Gesetzes auf der Internetseite des Gesundheitsministeriums.
Doch monatelang gab es Proteste und Kritik von Betroffenen, Verbänden und Oppositionsparteien an den ersten Entwürfen. Denn im ursprünglichen Entwurf war die teurere häusliche Pflege, die sich viele Betroffene wünschen, nur noch als Ausnahme vorgesehen. Im Regelfall sollte die Intensivpflege in kostengünstigerer stationärer Unterbringung stattfinden. Aufgrund der Proteste wurde dieser Aspekt im Gesetz jedoch deutlich abgemildert, bei „berechtigten Wünschen“ ist in Absprache mit der Krankenkasse weiterhin eine häusliche Intensivpflege möglich.
Der Deutsche Bundestag hat dem Gesetz in seiner geänderten Fassung nun Anfang Juli mit den Stimmen der Regierungsfraktionen aus Union und SPD zugestimmt. „Es ist gut, dass viele sich zu Wort gemeldet, nachdrücklich ihre Sorgen zum Ausdruckt gebracht und ihre Interessen vertreten haben. Das hat zu wesentlichen Veränderungen in diesem Gesetzgebungsverfahren geführt“, begrüßte die SPD-Abgeordnete Heike Baehrens (SPD) in ihrer Rede den mehrheitsfähigen Kompromiss. Allerdings gibt es auch an der geänderten Version nach wie vor deutliche Kritik, alle im Bundestag vertretenen Oppositionsparteien (AfD, FDP, Linke und Grüne) stimmten gegen den Antrag.
„Bei der Frage nach dem Leistungsort der Versorgung soll künftig den ‚berechtigten Wünschen‘ der Menschen mit entsprochen werden – immerhin“, begrüßt FDP-Abgeordnete Nicole Westig die Abmilderung des ersten Entwurfs. „Aber wir fragen uns: Wer entscheidet darüber, ob ein Wunsch berechtigt ist? In der UN-Behindertenrechtskonvention steht nicht etwa, dass das Recht, selbst zu bestimmen, wo man lebt, davon abhängt, dass man einen berechtigten Grund dafür nennt.“
Auch beim Verfahren, den Versorgungsort in Absprache mit den Krankenkassen festzulegen, ist Westig skeptisch: „Oft genug gibt es eben keine Augenhöhe zwischen Versicherten und Kassen. Oft genug ist das ein Kampf David gegen Goliath.“ Der Sozialverband VdK begrüßt zwar den Kompromiss, will den Krankenkassen bei der Umsetzung nun allerdings „genau auf die Finger zu schauen.“ In einer Pressemitteilung heißt es: „Wir erwarten, dass die Kassen auch tatsächlich mit den Betroffenen zusammenarbeiten. Es darf niemand dazu gezwungen werden, sein Zuhause zu verlassen.“ Sollten sich die Kassen daran nicht halten, droht der Sozialverband mit Klagen vor den Sozialgerichten.
Auch Die Linke kritisiert das Gesetz: „Sie spalten einmal mehr die Gesellschaft in diejenigen, die sich gute, individuelle Pflege leisten können, und diejenigen, die es nicht können“, wirft die Abgeordnete Pia Zimmermann dem Gesundheitsminister vor.
Das vollständige Plenarprotokoll der 170. Sitzung des Bundestages mit den hier zitierten Redebeiträgen können Sie über diesen Link einsehen. Das Gesetz ist im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig, es wird vermutlich im Herbst in Kraft treten.