Seit Jahren fordern Verbraucherverbände die Einführung einer Lebensmittelampel, die unter anderem vor hohen Fett- und Zuckergehalten warnen soll. Nach jahrelanger Debatte will Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) nun die Verbraucher/innen fragen – und erfährt gleichzeitig Negativschlagzeilen durch ein Nestlé-Video.
Tagelang war in deutschen Medien und – insbesondere – im Internet das Video von Julia Klöckner mit dem deutschen Nestlé-Chef Marc-Aurel Boersch häufig und brisant diskutiert worden. Klöckner hatte das Video auf dem offiziellen Twitter-Account des Ministeriums hochgeladen und bedankt sich darin beim Deutschland-Chef des Konzerns, dass dieser die Reduktionsstrategie der Ministerin freiwillig unterstütze. Jahrelang hatte sich die Agrar- und Ernährungsministerin gegen eine Lebensmittelampel zur Kennzeichnung ungesunder Lebensmittel ausgesprochen – gegen die Forderungen vieler Verbraucherschutz-Organisationen. Daher setzte sie bei der Reduzierung von Fett- und Zuckergehalt in Lebensmitteln auf die Freiwilligkeit der Konzerne. Dass sie sich dann ausgerechnet bei dem häufig in der Kritik stehenden Konzern Nestlé für eine Reduzierung des Zuckers von 10 % bedankte, löste gerade im Internet viel Kritik aus. Für Ursula Schulte, ernährungspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, sei das „grenzwertig – es grenzt an Werbung“.
Auch die Organisation foodwatch gab Konzernen wie Nestlé und Coca-Cola bereits im letzten Jahr in einer Pressemitteilung eine Mitschuld an der Ausbreitung von Fettleibigkeit. „Nestlé, Coca-Cola & Co. präsentieren sich gerne als Wohltäter und Weltverbesserer. Doch in Wahrheit machen sie mit ihren Produkten Millionen von Menschen fett und krank und verursachen gigantische gesellschaftliche Folgekosten“, wird Thilo Bode, Geschäftsführer von foodwatch International, dort zitiert. Auch im Hinblick auf Lobbyismus steht Nestlè immer wieder in der Kritik. Doch nicht nur große Konzerne wie Nestlé seien alleine das Problem: „Geflirtet wird schon viel früher, dort nämlich, wo Nahrungsmittel oder die Rohstoffe ihren Ursprung haben: in der Landwirtschaft. Sie ist europaweit durchdrungen von einem undurchsichtigen Geflecht aus Bauernvertretern, die nicht selten auch als Abgeordnete in Parlamenten sitzen und zugleich eng mit Düngemittel- und Saatgutherstellern, den Landtechnikproduzenten oder eben auch der Lebensmittelindustrie verbandelt sind.“ So lautete das Fazit aus der Süddeutschen Zeitung über den Videoskandal.
Nach jahrelangen Diskussionen um eine Lebensmittelampel könnte Julia Klöckner jetzt allerdings doch den Weg frei gemacht haben. Wie unter anderem die Welt berichtet, will die Ministerin noch im Sommer die Verbraucher/innen zu einer Handvoll verschiedener Kennzeichnungssysteme befragen um herauszufinden, welches dann umgesetzt werden soll. Am bekanntesten dürfte der sogenannte „Nutri-Score“ sein, was zum Beispiel die Hamburger Verbraucherzentrale fordert und auf ihrer Internetseite erklärt. Dabei handelt es sich um ein fünfstufiges, farbiges Ampelsystem zur Nährwertkennzeichnung. Wie und wann die Verbraucher/innen genau zu verschiedenen Systemen befragt werden sollen, ist noch unklar. Ebenfalls fraglich bleibt, wie schnell eine Einführung nach so einer Befragung wirklich vollzogen werden würde.
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