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2. Dezember 2020

Diskussionen um „Triage“-Szenario

Was passiert, wenn das Gesundheitssystem überlastet? Für den Fall einer „Triage“ (deutsch: Auswahl) wurden bereits ethische Leitlinien festgelegt. Nun reicht eine Richterin mit Muskelerkrankung Klage ein: „Wenn sie das so durchziehen wie geplant, dann sind wir, die behindert sind, alle raus“.

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Seit Beginn der Corona-Pandemie im März gibt es ein befürchtetes Szenario, was mit allen Mitteln verhindert werden soll: Ein so überlastetes Gesundheitssystem, dass Mediziner*innen auswählen müssten, wer eine lebensnotwendige Behandlung bekommt und wer nicht. Dieser mögliche Prozess wird auch „Triage“ genannt – das Wort kommt aus dem Französischen und bedeutet so viel wie „Auswahl“. Der Fall würde dann eintreten, wenn es mehr Patient*innen mit Beatmungsbedarf gibt als verfügbare Intensivbetten bzw. Beatmungsgeräte.

Bereits im März hatte die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) ethische Leitlinien festgelegt, die in einem solchen Falle zum Tragen kommen könnten. Dabei gehe es vor allem um das „Kriterium der klinischen Erfolgsaussicht“, wie es in dem DIVI-Dokument aus dem März heißt. „Vorrangig werden dann diejenigen Patienten klinisch notfall- oder intensivmedizinisch behandelt, die dadurch eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit bzw. eine bessere Gesamtprognose (auch im weiteren Verlauf) haben“, heißt es dort weiter.

Die Richterin Nancy Poser hat nun Klage eingereicht. Sie fürchtet, dass das Auswahlverfahren Menschen mit Beeinträchtigungen benachteiligen könnte. Die Juristin lebt mit einer angeborenen Muskelerkrankung. In Bezug auf das Triage-Prinzip sagt sie in einem Beitrag der Tagesschau: „Wenn sie das so durchziehen wie geplant, dann sind wir, die behindert sind, alle raus“. Als Beispiel führt sie an: „Wenn ein gesunder, junger Familienvater eingeliefert wird, der an die Beatmung muss, dann werde ich von der Maschine abgehängt und bin tot“.

Nancy Poser kritisiert auch die Politik. Der Gesetzgeber ducke sich weg – die Frage einer Triage dürfe nicht nur in fachlichen Leitlinien geklärt werden, sondern in einem Gesetz. Auch Rechtsanwalt Oliver Tolmein, der Poser vertritt, erklärt in dem Artikel: „Die Frage ist eine gesellschaftliche, keine rein medizinische.“

Das Verfahren ist nun beim Bundesverfassungsgericht, bis Mitte Dezember müssen Bundesregierung, Bundesrat, Landesregierungen und weitere Instanzen dazu Stellung beziehen.

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