Ausgangspunkt der aktuellen Rentensituation ist der demografische Wandel. Kamen 1962 rund sechs Beitragszahler*innen auf einen Rentner*in, so werden es 2030 voraussichtlich nur noch 1,5 Beitragszahler*innen sein.
Wie Rainer Schlegel, Gerichtspräsident des Bundessozialgerichts, gegenüber der Tagesschau in einem Interview von Februar 2023 betonte, ist 2030 mit einer besonderen Zuspitzung zu rechnen. In diesem Jahr geht ein Großteil der geburtenstarken Jahrgänge in Rente. Hinzu kommt die seit den 60ern angestiegene Lebenserwartung. Damit kommen nicht nur weniger Beitragszahler*innen auf eine Rentner*in, sondern diese müssen auch länger finanziert werden. Zu diesem Thema haben wir bereits im Juni 2024 eine kleine Programmempfehlung geschrieben, für jene, die sich einen Überblick aus satirischer Perspektive verschaffen wollen.
Momentan wird die gesetzliche Rente zu einem Teil aus den Beiträgen und zum zweiten Teil mit über 100 Mrd. Euro aus dem Staatshaushalt finanziert. Gehen wir realistisch davon aus, dass der staatliche Anteil sich kaum nennenswert erhöhen wird, dann bedeutet eine Rentenerhöhung, dass die Beiträge steigen müssen. Hierfür gibt es grundsätzlich drei Möglichkeiten:
- Mehr Beitragszahler*innen. Dies ist allerdings das Ausgangsproblem und daher unwahrscheinlich.
- Ein höherer Beitragssatz. Das bedeutet allerdings, dass alle sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigen weniger Netto von ihrem Brutto haben, was insbesondere die mittleren bis niedrigen Einkommen trifft, weil hier das Einkommen zum größeren Teil verkonsumiert wird, während es bei höheren Einkommen eher die Sparrate minimiert. Auch das ist nicht wünschenswert.
- Als dritte Möglichkeit wäre aber auch ein grundsätzlicher Anstieg der Einkommen denkbar. Wer mehr Einkommen bekommt, zahlt nominal auch mehr in die Rente und hat am Ende sogar noch mehr Geld in der Tasche. Hier liegt das Problem allerdings im Konflikt zwischen Unternehmen und Angestellten.
In den letzten drei Jahrzehnten ist die Wirtschaftsleistung (preisbereinigt) um mehr als 40% gestiegen. Die Reallöhne sind hingegen in Deutschland zwischen 1991 und 2019 nur um 12,3 % gestiegen, so ein Artikel der Bundeszentrale für Politische Bildung (bpb).
Auch der Ökonom Maurice Höfgen verweist in seiner Reaktion auf ein Interview von Finanzminister Christian Lindner gegenüber dem Kanal „Finanzfluss“ auf diesen Zusammenhang. Dabei sind höhere Löhne nicht automatisch eine Verringerung des Unternehmensumsatzes. Höfgen macht deutlich, dass es immer auch um Effizienz geht. Übersetzt heißt das, die aktuelle wie zukünftige Rente hängt auch davon ab, wie gut die (Aus-)Bildung der aktuellen Generation finanziert wird und ob diese danach entsprechende Jobs findet. Beides ist auch eine Frage staatlicher Investitionen, mit denen allerdings bei der momentanen Spardoktrin kaum zu rechnen ist.
Um dem zu begegnen, plant Lindner statt mehr Investitionen in die Wirtschaft ein sogenanntes Generationenkapital. Dabei wird nach Angaben des Finanzministeriums mit „Darlehen aus dem Bundeshaushalt und der Übertragung von Eigenmitteln vom Bund ein Kapitalstock aufgebaut […], dessen Erträge zukünftig zur Stabilisierung der Rentenversicherungsbeiträge in der gesetzlichen Rentenversicherung beitragen sollen.“ Wie allerdings Thomas Kehl von Finanzfluss heraushebt, wird es vermutlich mehrere Jahrzehnte brauchen, bis daraus ein handfester Kapitalstock gewachsen ist. Hinzu kommt, dass das Generationenkapital nicht den Rententopf zusätzlich aufstockt; stattdessen soll es lediglich den Bundeszuschuss schmälern, wie Höfgen ergänzt.
Auch wird mit der sogenannten „Aktienrente“, wie das Generationenkapital auch heißt, nur die Hälfte des Problems angegangen. Neben der Frage, wie der Rententopf zu füllen ist, liegt das viel fundamentalere Problem in der Frage: „Stellen wir mit weniger Erwerbstätigen noch genügend Güter und Dienstleistungen her, dass wir die gesamte Gesellschaft – dann mit mehr Rentnern – versorgen können?“ Ausläufer dieses Problems haben wir bei auf seniorenpolitik-aktuell.de bereits aufgegriffen, z. B. bei dem Thema Pflege. Kurz gefasst: Selbst mit einer höheren Rente muss erstmal jemanden gefunden werden, wenn in einer späten Lebensphase mehr Hilfe benötigt wird.