Mit der Forschungsförderung 2016 unterstützt die Deutsche Alzheimer Gesellschaft (DAlzG) zwei Projekte, deren Erkenntnisse dazu beitragen können, die Versorgung von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen mit einem sogenannten Migrationshintergrund zu verbessern.
Als Ausgangslage wird angenommen, dass für Menschen mit einem sogenannten Migrationshintergrund sprachliche und kulturelle Barrieren existieren sollen, die einen Zugang zu Diagnose, Therapie, ambulanten Angeboten und Selbsthilfe erschwerten. Der Gesamtbetrag der Förderung beträgt gut 250.000 €.
Die Forschungsförderung der DAlzG wird alle zwei Jahre vergeben, die Mittel stammen jeweils aus zweckgebundenen Spenden und sollen die Forschung zur Versorgung von demenzkrankten Menschen und ihren Angehörigen unterstützen.
Das Projekt „Selbsthilfe Aktiv – (Inter-)aktive Selbsthilfe für türkeistämmige pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz“ wurde eingereicht von Prof. Dr. Oliver Razum, Dr. Hürrem Tezcan-Güntekin und Medlin Kurt von der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld. Hierbei geht es offensichtlich nicht um alle Menschen, die auf eine Migrationserfahrung zurückblicken können, sondern nur um sogenannte türkeistämmige Menschen. Es dürfte mit Spannung zu beobachten sein, wie die Forschenden die Untersuchungsgruppe beschreiben, ohne auf allgemeine Begriffe wie „Kultur“ oder „Abstammung“ zurückzugreifen.
Belegt sei, dass pflegende Angehörige in sogenannten türkischen Familien starken Belastungen ausgesetzt seien, kaum ambulante und stationäre Hilfen in Anspruch nehmen würden und gesundheitliche Selbsthilfe in der türkischen Kultur nicht geläufig sei. Gleichzeitig seien sie häufig sozial isoliert, weil Demenz innerhalb der sogenannten Bevölkerungsgruppe noch sehr stigmatisiert sei. Eine Vernetzung der Angehörigen soll durch eine WhatsApp-Gruppe geschehen. Die flexible Kommunikation über Smartphones erlaubt es Informationen auszutauschen und Treffen und Aktivitäten zu vereinbaren. Im Rahmen des Projekts wird das Konzept ausgearbeitet, Interviews mit „türkeistämmigen“ pflegenden Angehörigen geführt und die Umsetzung evaluiert. Das Projekt wird mit einem Betrag von 95.883 € gefördert.
Das Projekt „Barriereabbau in der hausärztlichen Demenzdiagnostik für Menschen mit Migrationshintergrund (BaDeMi)“ wurde eingereicht von Dr. med Johannes Just, Rieke Schnakenberg, Prof. Dr. oec troph Eva Münster und Prof. Dr. med Klaus Weckbecker vom Institut für Hausarztmedizin der Universität Bonn. Das Ziel des Projekts ist es, durch eine wissenschaftlich fundierte und praktisch bedeutsame Informationsintervention bei Hausärzten/innen, medizinischen Fachangestellten, Patient/innen und deren Angehörigen Barrieren in der Demenzdiagnostik und Demenzversorgung abzubauen. In den Hausarztpraxen soll das Bewusstsein für eine mögliche Demenzerkrankung bei Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund geschärft werden und zum Gespräch über einen Demenzverdacht motiviert werden, um eine frühe Diagnosestellung zu erreichen. Dazu werden Informationsmaterialien sowohl für Ärzt/innen und Fachangestellte, wie auch für Patient/innen entwickelt, Interviews geführt und eine Evaluation erstellt. Das Projekt wird mit einem Betrag von 154.326 € gefördert.
In diesem Projekt wird die Zielgruppe als „Menschen mit Migrationshintergrund“ umrissen. Auch hier dürfte es interessant sein, wie die Forschenden diese Gruppe erfassen bzw. eingrenzen. Denn die angeblich im Hintergrund wahrnehmbare Migration kann in dem letzten Jahrhundert in und um Europa eine Vielzahl von Erfahrungen zusammenfassen, nahezu jedem Mensch könnte ein Migrationshintergrund zugeschrieben werden.