Pflegeeinrichtungen stehen vor dem Spagat, einer steigenden Zahl an pflegebedürftigen Personen mit oft komplexen Versorgungsbedarfen gerecht zu werden, während der Personalmangel das Arbeitsklima belastet. Vor diesem bekannten Hintergrund befasst sich das Institut Arbeit und Technik (IAT/Westfälische Hochschule) mit der Frage nach einer besser gestaltbaren Flexibilisierung der Arbeitszeiten.
In ihrem institutseigenen Newsletter „Forschung Aktuell“ vom Dezember 2024 beleuchten die Autoren die zentralen Ergebnisse des Forschungsprojekts „Pflege:Zeit“, das neue Wege in der Arbeitszeitgestaltung für die Pflege untersucht. Ziel ist es, durch flexible und zuverlässige Modelle die Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten zu steigern und gleichzeitig die organisatorische Resilienz zu fördern.
Ein Ergebnis der Studie ist die erkannte Vielfalt an unterschiedlichen und individuellen Regelungen in den verschiedenen Einrichtungen und auf den unterschiedlichen Ebenen, die „eine bunte Tüte voller Regelungen zwischen Flexibilität und Zuverlässigkeit“ bilden. Um sich in dieser „bunten Tüte“ zurechtzufinden, hat das Forschungsprojekt „Pflege:Zeit“ eine Regelungs-Matrix entwickelt, die Akteure und deren Handlungsebenen systematisiert. Dabei lassen sich die folgenden drei Entscheidungsebenen unterteilen:
Regelungen für Individuen
- Individuum-Individuum: Informelle Absprachen, z. B. Diensttausch.
Merkmale: Hohe Abhängigkeit von der Beziehungsqualität; geringe externe Durchsetzbarkeit. - Individuum-Team: Flexible Lösungen für einzelne Teammitglieder (z. B. bei Krisensituationen).
Merkmale: Abhängig von Teamzusammenhalt und Akzeptanz. - Individuum-Organisation: Vertragsbasierte oder mündliche Regelungen (z. B. nur Frühdienste).
Merkmale: Geringe Transparenz; Risiko von Neid oder Intransparenz im Team.
Regelungen für Teams
- Team-Individuum: Teambasierte Entscheidungen mit Einstimmigkeit, z. B. Vertretungsregelungen.
Merkmale: Hohe Zuverlässigkeit bei klaren Absprachen. - Team-Team: Mehrheitsentscheide innerhalb eines Teams, z. B. Flexibilisierungstage.
Merkmale: Abhängig von Teambindung und Mehrheitsverhältnissen. - Team-Organisation: Organisationsgestützte Regelungen, z. B. mobiles Arbeiten für bestimmte Teams.
Merkmale: Hohe Zuverlässigkeit; potenzielle Benachteiligung anderer Teams.
Organisationale Regelungen
- Organisation-Individuum: Verträge mit individuellen Vereinbarungen, z. B. für Leiharbeitskräfte.
Merkmale: Eingeschränkte Flexibilität; oft geringe Zuverlässigkeit für Betroffene. - Organisation-Team: Organisationsweite Regelungen, z. B. Flex-Pool-Modelle.
Merkmale: Hohe Zuverlässigkeit bei fixen Vereinbarungen; begrenzte Flexibilität für die Organisation. - Organisation-Organisation: Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge.
Merkmale: Hohe Transparenz und Zuverlässigkeit; flächendeckender Anspruch für alle Mitarbeitenden.
Die Autorinnen betonen die zentrale Rolle von Teams bei der Umsetzung flexibler Arbeitszeiten, da sie den größten Spielraum für partizipative Entscheidungsprozesse und die Kombination von Flexibilität und Zuverlässigkeit bieten. Die vorgestellte Matrix dient als Orientierungshilfe, um zu identifizieren, welche Flexibilisierungsmaßnahmen zwischen welchen Akteuren verhandelt werden können. Sie stellt jedoch keine universelle Lösung dar, sondern bedarf individueller Anpassungen.
Trotz der aufgezeigten Möglichkeiten zur Flexibilisierung der Arbeitszeiten bleibt das grundlegende Problem des Fachkräftemangels in der Pflege ungelöst. Die Regelungs-Matrix kann daher nur als ein Werkzeug von vielen betrachtet werden, um auf betrieblicher Ebene Verbesserungen anzustoßen. Entscheidend wird sein, dass Flexibilisierungsdiskussionen nicht zu Alibidiskursen verkommen, sondern tatsächlich spürbare Verbesserungen für Beschäftigte und Pflegebedürftige bewirken.
Wie wir bereits in unserem Artikel zur Effizienz in der Pflege geschrieben haben: Ohne Geld in die Hand zu nehmen, wird sich das Problem in der Pflege, das auch eine Frage des Nachwuchses und der Infrastruktur ist, nicht lösen lassen.
Darüber hinaus bietet die Matrix auch über die einrichtungsinterne Verwendung hinweg Orientierung: Angehörige und Bewohner*innen können anhand der identifizierten Ebenen und Akteure besser abschätzen, wie und bei wem individuelle Anliegen platziert werden können.