Die Debatte um Hass und Hetze im Internet hat spätestens nach dem Erstarken des Rechten Terrors in Deutschland wieder an Fahrt aufgenommen. Neben Morddrohungen, die selbst Kommunalpolitiker*innen im Netz erhielten, sieht die Bundesregierung auch die Gefahr, dass sich mehr Menschen aus dem politischen Diskurs zurückziehen könnten.
„Im Internet ist eine zunehmende Verrohung der Kommunikation zu beobachten“, teilt die Bundesregierung auf ihrer Internetseite mit. „Aggressives Auftreten, Einschüchterung und Androhung von Straftaten nehmen zu“, stellt die Regierung weiter fest. Das Problem ist dabei keineswegs nur das einer beleidigenden Person gegenüber einer angegriffenen, sich beleidigt fühlenden Person, es ist ein gesamtgesellschaftliches. So fürchtet die Bundesregierung beispielsweise, aufgrund der Entwicklung könnten sich mehr „Menschen vollständig aus dem öffentlichen politischen Diskurs zurückziehen.“
Doch es geht teilweise deutlich über die Gefahr einer Diskursverschiebung hinaus. Menschen, die kommunalpolitisch aktiv sind, erhielten sogar Morddrohungen: „In der Öffentlichkeit stehende und für das Gemeinwesen aktive Personen wurden in der Vergangenheit etwa nach einer politischen Äußerung mit diffamierenden Reaktionen oder gar Morddrohungen überzogen“, gibt die Bundesregierung bekannt. „Mit diesen öffentlichen, respektlosen und herabwürdigenden Inhalten sinkt die Hemmschwelle für weitere gleichgerichtete Äußerungen.“
Hass und Hetze – meist von als rechtsradikal einzuordnenden Personen und Gruppen – findet nicht nur in privaten Chats oder kleineren Gruppen sozialer Netzwerke statt, sondern vielfach auch in politischen Internetforen oder auf Videoplattformen wie YouTube. Hier bekommen Hasskommentare unter Umständen eine deutlich höhere Reichweite, was ebenfalls das politische Klima negativ beeinflussen könnte.
Hunderttausende werden auch durch Hasskommentare und Fehlinformationen über den Messenger-Dienst Telegram erreicht, auf dem eine Reihe bekannter Verschwörungsideolog*innen in fragwürdigen Gruppen ihre Ansichten ungefiltert teilen können. Unter anderem die Süddeutsche Zeitung berichtet hier beispielsweise von Nachrichten, die Merkel als ‚lupenreine Kommunistin‘ bezeichnen würden oder sogar das Verbot der Holocaustleugnung als ‚Kern der BRD-Lüge‘ betiteln.
Im April ist vor dem Hintergrund der Entwicklungen ein Gesetzespaket bundesweit in Kraft getreten, welches Rechtsextremismus und Hasskriminalität stärker ins Visier nimmt. Das Gesetz sieht unter anderem vor, dass Anbieter*innen großer Netzwerke zu einer Meldung von volksverhetzenden Äußerungen verpflichtet werden. Das Bundeskriminalamt richtet dafür eine neue Zentralstelle ein. Außerdem sollen Menschen besser geschützt werden, die zum Beispiel aufgrund ihrer ehrenamtlichen Tätigkeiten von Bedrohungen betroffen sind. Weitere Informationen zu den Inhalten des Gesetzes finden Sie hier.
In Schleswig-Holstein hat es im Jahr 2020 insgesamt 74 Ermittlungsverfahren im Bereich Hasskriminalität im Internet gegeben, wie aus der Antwort des Landesinnenministeriums auf eine Kleine Anfrage des Landtagsabgeordneten Jörg Hansen (FDP) hervorgeht. Die übergroße Mehrheit der Verfahren bezog sich auf den Straftatbestand der „Volksverhetzung“, zwölf wurden wegen „Beleidigung“ eingeleitet.