Der Journalist und Publizist Heribert Prantl spricht in einem aktuellen Interview von einem zunehmenden „Digitalzwang“, der zu Diskriminierung führe. Die Grund- und Daseinsvorsorge dürfe nicht von der Nutzung digitaler Angebote abhängig gemacht werden.
„Der zunehmende Digitalzwang belastet den kleinen und den großen Alltag. Er ist eine Diskriminierung der Handylosen, die sich ein Smartphone nicht leisten können oder wollen.“ – erklärt der langjährige Süddeutsche-Chefredakteur Heribert Prantl gegenüber der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO). In den Interview bemängelt er, dass Anträge bei Behörden und Unternehmen der Daseinsvorsorge immer öfter nur online gestellt werden. Als Beispiele nennt Prantl Terminbuchungen, Ticketkäufe und Bankgeschäfte. Der politische Publizist weist darauf hin, dass viele Banken Papierüberweisungen nur noch gegen Extragebühr ausführen würden. „Es kann und darf nicht sein, dass das Handy zum Grundrechts-Zugangsgerät geworden ist“, so Prantl.
Auf Nachfrage, wer seiner Meinung nach durch diese Umstände diskriminiert werde, erklärt der Journalist, dass nicht nur Ältere betroffen seien. Es gebe auch Jüngere, die beispielsweise aus Gründen des Datenschutzes auf digitale Angebote verzichteten. Es seien oft also auch Technikkenner*innen, die Digitalisierung skeptisch beobachten. „Es ist daher herablassend und zynisch zu sagen: Wenn die 80-Jährigen die digitale Welt nicht kapieren, dann ist das ihr Problem. Wir alle brauchen ein Recht auf Wahlfreiheit.“
Auf die Frage, was zu tun sei, spricht Heribert Prantl von einem „Aufstand der Analogen“, der notwendig sei, um der Politik gegenüber die Bedeutung des grundsätzlichen Problems deutlich zu machen. Man könne sogar darüber nachdenken, den Gleichheitssatz des Grundgesetzes (Art. 3 Abs. 3) um ein Recht auf analoges Leben zu verankern. So eine Ergänzung könne lauten: „Die Grund- und Daseinsvorsorge für einen Menschen darf nicht davon abhängig gemacht werden, dass er digitale Angebote nutzt.“
Menschen, die ihr Recht auf ein analoges Leben verteidigen wollen, könnten sich beispielsweise an ihre Abgeordneten wenden. Jenen gibt er mit: „Sie sollen sich nicht scheu und schamhaft verstecken, weil sie die Technik nicht wollen oder nicht beherrschen.“