Weiterlesen 1995 wurde die soziale Pflegeversicherung als eigenständiger Sozialversicherungszweig eingeführt. Knapp dreißig Jahre später habe sich laut Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) die Erkenntnis verfestigt, dass das derzeitige System nicht mehr zeitgemäß sei. Wesentliche Probleme blieben ungelöst. Dazu zählt die BAGSO beispielsweise die permanente überschrittenen Belastungsgrenzen professioneller Pflegekräfte, die Zunahme älterer und pflegebedürftiger Menschen und das Defizit an spezifischen Angeboten. Problematisch sei zudem, dass ein großer Teil der Sorge- und Pflegearbeit auf pflegenden Angehörigen laste, viele befänden sich in extremen Belastungssituationen. In einem 16-seitigen Positionspapier mit dem Titel „Sorge und Pflege: Neue Strukturen in kommunaler Verantwortung“, dass der BAGSO-Vorstand im Mai verabschiedet hat, fordert der Dachverband eine Neukonzeption der Pflege in Deutschland. Unter anderem müssten den Kommunen die Steuerungs- und Gestaltungsverantwortung für die Altenhilfe und Pflege zugewiesen werden, die mit der Einführung der Pflegeversicherung (SGB XI) stark eingeschränkt worden sei. „Dem Quartiersansatz folgend muss Sorge und Pflege lokal gedacht und sozialraumbezogen sowie sektorenübergreifend organisiert werden“, heißt es in dem Papier. „Ziel muss sein, Lebensorte zu fördern und zu entwickeln, in denen altengerechtes Wohnen und individuell ausgerichtete unterstützende Hilfsangebote zur Verfügung stehen und Teilhabe möglich ist.“ Des Weiteren müssten präventive Angebote der Altenhilfe nach § 71 SGB XII ausgebaut werden. Darunter fallen beispielsweise Begegnungsstätten und Informations- und Beratungsstellen, in der Realität führe die Vorschrift jedoch ein „Schattendasein“. Vielerorts seien entsprechende Angebote gar nicht oder nur eingeschränkt verfügbar. Zuletzt berichteten wir im Rahmen des vom Berliner Seniorenbeirat eingebrachten Altenhilfestrukturgesetzes über die Norm. Im Falle der Pflegebedürftigkeit dürfe Pflege nicht arm machen, dies sei derzeit häufig der Fall. So müssten unter anderem die Eigenanteile nachhaltig begrenzt werden. Außerdem stellt die BAGSO klar: „Pflege hat sich zu einem lukrativen Markt entwickelt, in dem Wirtschaftlichkeitsaspekte eine immer stärkere Rolle spielen. Die Qualität der Pflege und die Beiträge zur Pflegeversicherung dürfen aber nicht von Renditeerwartungen von Leistungserbringern und Investoren dominiert werden; zumindest müssen Grenzen definiert werden.“
Initiativen & Programme
Kieler „Silberdraht“ wird ein Jahr alt
2. Juni 2023Weiterlesen „Schön, dass Sie da sind“, begrüßt einen die freundliche, automatisch abgespielte Stimme am anderen Ende der Leitung, wenn man die Kieler Nummer 901-7800 wählt. Hinter dieser Nummer befindet sich der „Silberdraht“. „Der Silberdraht ist ein telefonisches Angebot, das interessante Informationen für ältere Kieler*innen ohne Internetanschluss anbietet.“ – So beschreibt sich die Stimme zu Beginn des Gesprächs selbst. Das Prinzip ist dabei folgendes: Anrufende können zwischen sechs Themen wählen, zu denen sie weitere Informationen und Neuigkeiten wünschen. Die Auswahl eines Themas erfolgt dann ganz einfach über die Tastatur des Telefons. Derzeit stellt einem die automatisch abgespielte Stimme folgende Auswahlmöglichkeiten zur Verfügung (die Ziffern entsprechen den Tastaturbefehlen): Hat man sich dann für eines dieser Themen entschieden, folgen weitere Ausdifferenzierungen. Die dort hinterlegten Informationen wie Voraussetzungen (z. B. für den Kieler Senior*innenpass) oder wichtige Adressen und Anlaufstellen werden von einer weiteren automatisierten Stimme vorgelesen. Besonders praktisch: Nutzende des Services können über die „#“-Taste vorspulen und über die „*“-Taste zurückgehen. Über die Taste „0“ gelangt man immer wieder zur letzten Ebene an Auswahlmöglichkeiten zurück. Die Hotline ist rund um die Uhr freigeschaltet. Wie die Landeshauptstadt nach einer ersten Bilanz im September 2022 mitteilte, nutzten die meisten Anrufer*innen das Angebot vormittags zwischen 9 und 15 Uhr. Laut dem damaligen Bericht sei der Menüpunkt 6 (Freiwilliges Engagement) von allen Angeboten am häufigsten ausgewählt und angehört worden. Im Schnitt dauerte ein Anruf 2 Minuten und 37 Sekunden. Der „Silberdraht“ wurde bei einem Hackathon der Bundesregierung im März 2020, in Kiel ist der Service seit Mai 2022 verfügbar. Das Angebot gibt es neben der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt auch in Heidelberg.
Weiterlesen Anfang Februar erreichten uns die Bilder der verheerenden Verwüstungen, die ein Erdbeben im Südosten der Türkei und im Norden Syriens angerichtet hatten. Fast 60.000 Menschen konnten nach der Katastrophe nur noch tot geborgen werden, mehr als 125.000 Verletzungen wurden registriert. In den Wochen danach folgten zahlreiche Solidaritätsbekundungen, Spenden und Hilfen. Nun, 100 Tage nach der Erdbebenkatastrophe, mahnt die BAGSO zu weiterer Solidarität. „Viele Menschen benötigen noch lange Zeit materielle und psychosoziale Unterstützung. Die Hilfsbedürftigkeit älterer Menschen ist dabei besonders groß“, heißt es von der BAGSO. Sie fordert weitere unbürokratische Unterstützung durch die Bundesregierung. Konkret müssten beispielsweise die Visa-Regelungen angepasst werden. Die Regierung habe zwar das Aufenthaltsrecht für Menschen aus den Erdbebengebieten von zunächst drei auf sechs Monate verlängert, in Anbetracht der Zerstörungen vor Ort gehe auch dies aber an der Realität vorbei – ein Wiederaufbau sei „keine Sache von Monaten, sondern von Jahrzehnten“. Außerdem macht der Dachverband darauf aufmerksam, dass auch Menschen aus der Region, die schon lange in Deutschland leben, von der Katastrophe betroffen sind. „Viele haben Angehörige und Verwandte verloren, häufig wurde ihre Heimat zerstört. Depressionen, Ängste und Gefühle von Ohnmacht haben stark zugenommen“, erklärt die BAGSO. Man zeige sich solidarisch mit diesen Menschen und fordere dazu auf, die besonderen Bedürfnisse in den Angeboten der Seniorenarbeit zu berücksichtigen.
Weiterlesen Es mag Menschen geben, die in der Klimakrise einen Generationenkonflikt sehen. Die BAGSO tut das nicht: „Wir sehen bisher keinen Konflikt der Generationen, sondern ein verstärktes Miteinander“. So hielt es der Dachverband der Senior*innenorganisationen bereits 2022 in einem Positionspapier fest. In dem gleichen Dokument hat die BAGSO sich auch direkt an ältere Menschen gewandt und diese eingeladen, „sich aktiv zu beteiligen und zu engagieren“. Der gemeinsame und generationenübergreifende Dialog sei wichtiger denn je und könne gleichzeitig ermutigen. Schon vor zwei Jahren gab es viele Senior*innen, die sich in Gremien, Organisationen, Vereinen, Initiativen und in der Gesellschaft für Nachhaltigkeit und Klimaschutz stark gemacht haben. Dazu gehören die „Omas for Future“, die seitdem weitere Regionalgruppen aufbauen konnten. „In unserem Leben haben wir Wissen und unterschiedliche Kompetenzen erworben“, schreibt die Initiative auf ihrer Internetseite zum eigenen Leitbild. „Diese Lebenserfahrung bringen wir ein in die notwendigen gesellschaftlichen Transformationen. Dabei verstehen wir uns als einen Mosaikstein der Veränderung auf individueller, gemeinschaftlicher und politischer Ebene.“ Auch in der Schweiz setzen sich Initiativen für eine konsequentere Klima-Politik ein. Eine Gruppe älterer Aktivistinnen, die sich „Klima-Seniorinnen“ nennt, verklagt derzeit gar den Staat vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. „Die Schweiz hat es versäumt, Klimaziele festzulegen, die dem internationalen Klimarecht und den besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen“, erklärt die Gruppe. „Wir klagen, weil alles, was uns lieb ist, auf dem Spiel steht.“ Die öffentliche Anhörung vor der Großen Kammer des Gerichtshofs fand am 29.03.2023 statt, mit einem Urteil wird zum Ende des Jahres gerechnet. Viele Klima-Initiativen älterer Menschen haben gemeinsam, dass sie unter anderem für ihre Kinder und Enkelkinder und deren zukünftigen Lebensbedingungen einstehen. Eine Formulierung, die immer wieder zu lesen ist. Die BAGSO schreibt dazu, ältere Menschen fühlten sich verantwortlich für die kommenden Generationen und würden ihnen eine gute Welt hinterlassen wollen. Doch sind es keineswegs nur die nachfolgenden Generationen, die mit den Folgen der klimatischen Veränderungen zu kämpfen haben. So begründen die Schweizer Klima-Seniorinnen ihre Klage gerade mit der besonderen Gefahr des Klimawandels für ältere Menschen: „Wir älteren Menschen – und insbesondere Frauen – sind die von den zunehmenden Hitzewellen am stärksten betroffene Bevölkerungsgruppe, denn unsere Gesundheitsbeeinträchtigungen und unsere Mortalität sind besonders hoch.“ Auf diesen Aspekt weisen auch andere Senior*innenvertretungen wie die Landesseniorenvertretung NRW e.V. hin, die schon 2019 forderte, den Belastungen des Klimawandels für ältere Menschen mehr Beachtung zu schenken.
Weiterlesen Ende vergangenen Jahres hatten wir schon einmal über § 71 SGB XII berichtet. Damals ging es um ein Rechtsgutachten, dass die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) in Auftrag gegeben hatte. Die Norm sieht vor, dass älteren Menschen Altenhilfe gewährt werden soll. Das sind beispielsweise offene Treffs für Senior*innen, in denen sie sich mit anderen Menschen treffen, an Veranstaltungen teilnehmen oder kulturelle Bedürfnisse erfüllen können. Auch Beratungs- und Unterstützungsleistungen kommen als Leistungen der Altenhilfe in Betracht. Das BAGSO-Gutachten kam im vergangenen Jahr zu dem Schluss, dass sich aus § 71 SGB XII für Kommunen durchaus eine Pflicht zum Vorhalten eines gewissen Umfangs an Leistungen der Altenhilfe ableiten lässt. Allerdings ist der Paragraf recht vage formuliert und der örtliche Sozialhilfeträger hat ein weites Gestaltungsermessen, in welcher Form die Angebote fördern oder selbst vorhalten. Als erstes Bundesland soll Berlin die Vorschrift nun in einem Landesgesetz zur Pflichtaufgabe erklären – jedenfalls wenn es nach dem Landesseniorenrat geht. Der LSBB hat am 17. April 2023 einen Entwurf vorgelegt, wie ein „Altenhilfestrukturgesetz“ aussehen könnte. Der über zwei Jahre stattgefundene Diskussions- und Erarbeitungsprozess wurde von Prof. Thomas Klie geleitet, der den Gesetzentwurf dem LSBB überreicht hatte. Thomas Klie ist Mitautor des 7. Altenberichts der Bundesregierung. Der Gesetzesvorschlag trägt den Titel „Gutes Leben im Alter“. Mit diesem komme das Land „seinen Verpflichtungen zur Umsetzung des § 71 SGB XII nach“, wie es im Entwurf heißt. Der Vorschlag sieht unter anderem vor, im Ausführungsgesetz zum SGB XII einen neuen Paragrafen einzufügen, der älteren Menschen einen klaren Anspruch auf Leistungen nach § 71 SGB XII zugesteht. In dieser neuen Vorschrift sollen auch konkrete Leistungen genannt werden. „Mit dem Gesetzesvorhaben wird das Ziel verfolgt, die in § 71 SGB XII niedergelegte Verantwortung für Bedingungen guten Lebens älterer Menschen auf der Ebene des Landes Berlin und auf der Bezirksebene einzulösen“, so in der Zielsetzung des eingebrachten Entwurfs weiter. Der Einsatz für ein Altenhilfestrukturgesetz mache darüber hinaus das Thema bekannter. „Die Initiative bekommt große Aufmerksamkeit in der gesamten Bundesrepublik“, erklärt der LSBB. Auch die BAGSO unterstütze das Projekt. Bislang war das Vorhaben bereits in den Richtlinien der rot-grün-roten Regierungspolitik aufgenommen worden und auch im kürzlich verabschiedeten Koalitionsvertrag der neuen Berliner Landesregierung (CDU und SPD) ist festgehalten, ein Altenhilfestrukturgesetz „im Dialog mit Seniorengruppen“ in dieser Legislaturperiode zu erarbeiten. Den Entwurf des LSBB finden Sie hier. Unter diesem Link gelangen Sie zur Pressemitteilung des LSBB.
Weiterlesen Mit Sorge blicken die parlamentarisch gewählten Bürgerbeauftragten aus Baden-Württemberg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen auf die Situation vieler Verwaltungen. Auch durch die Corona-Pandemie habe sich der Zugang zu Dienstleistungen der Behörden in den letzten Jahren verschlechtert: Reduzierte oder gar abgeschaffte Sprechzeiten, erforderliche Terminvereinbarungen für weit in der Zukunft liegende Termine oder eingeschränkte persönliche Zugänge. „Ich weiß, dass viele Behörden bereits am Limit und darüber hinaus arbeiten, auch weil vielerorts Fachkräfte fehlen“, lässt sich Schleswig-Holsteins Bürgerbeauftragte Samiah El Samadoni in einer Pressemitteilung zitieren. „Es ist aber auch wichtig, dass der Staat handlungsfähig bleibt. Die Bürger*innen müssen vor Ort ganz praktisch erfahren, dass ihr Antrag schnell bearbeitet und zum Beispiel eine Leistung zügig gewährt wird. Ein guter Zugang zu Behördendienstleistungen ist eine ganz wichtige Voraussetzung für die Akzeptanz unseres demokratischen Rechtsstaats“, so die Mitunterzeichnerin des Papiers weiter. Lösungen für die Probleme seien nicht zu erkennen, bemängeln die Beauftragten der Länder, es brauche jedoch eine „gesamtstaatliche Kraftanstrengung“. Viele Verwaltungen würden nur für sich kämpfen, heißt es in der Erklärung. Ein Faktor sei die Digitalisierung. Dazu zähle ein umfassender Online-Zugang zu staatlichen Dienstleistungen. Ein solcher sei gesetzlich schon bis Ende 2022 vorgeschrieben gewesen – das Ziel sei jedoch weit verfehlt worden. Bei aller nötigen und richtigen Forderung nach digitalen Leistungen und Zugängen weisen die Unterzeichner*innen jedoch auch darauf hin, dass Menschen ohne entsprechende Ausstattung nicht vergessen werden dürften: „Der niedrigschwellige persönliche Kontakt zu Behörden und Ämtern muss für alle weiterhin möglich sein. Für dringende Angelegenheiten gilt das besonders.“ Dazu zählten auch Menschen, die einfach gerne im persönlichen Gespräch erfahren würden, ob sie ein Formular richtig verstanden haben. Hier gelangen Sie zu der Pressemitteilung der schleswig-holsteinischen Bürgerbeauftragten. Die Schweriner Erklärung ist dem Anhang zu entnehmen.
Weiterlesen Die Vereinten Nationen (UN) haben sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 inklusive, sichere und nachhaltige Kommunen sowie altersfreundliche Umgebungen zu schaffen. In eine ähnliche Richtung gehen die Vereinbarungen des Zweiten Weltaltenplans. „Städten und Gemeinden kommt eine wichtige Rolle zu, um altersfreundliche Umgebungen zu schaffen und die UN-Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 zu erreichen“, heißt es in der Veranstaltungsbeschreibung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO). Bei dem Workshop sollen Interessierte aus Kommunen die Gelegenheit bekommen, sich über die Potenziale der internationalen Altenpolitik für die kommunale Ebene zu informieren. In Form eines World Cafés soll auch ein Austausch und eine Vernetzung möglich sein. Der Workshop findet am 10. Mai von 10 bis 16 Uhr im KörberHaus in Hamburg-Bergedorf statt. Weitere Informationen zum Programm sowie das Anmeldeformular erhalten Sie hier.
Weiterlesen Es war eines der zentralen Themen, die das 34. Altenparlament im September vergangenen Jahres bewegte: Das Ehrenamt. Es wurde im Hinblick auf die Situation der Tafeln zwar klargestellt, dass das freiwillige Engagement nicht zum schleichenden Ersatz für staatliche Aufgaben werden dürfe, gleichzeitig sei das Ehrenamt aber ein Instrument, um gesellschaftliche Herausforderungen zu bewältigen. So forderten die Senior*innen die Wertschätzung für das Engagement zu fördern, ehrenamtliche Strukturen dauerhaft angemessen finanziell zu stärken und die Steuerfreistellung von Ehrenamtspauschalen auszuweiten. Und: Die Einführung eines Ehrenamts-Kontos. Wörtlich lautet der Beschluss: „Die Landesregierung und der Schleswig-Holsteinische Landtag werden aufgefordert, ein Projekt für ein Ehrenamtskonto zu initiieren in Form von Hilfe gegen Hilfe, mit dem Menschen für das Ehrenamt gewonnen werden können.“ Die Idee dahinter ist, dass ehrenamtliche Tätigkeiten mit einem Plus-Eintrag auf einem entsprechend einzurichtenden Konto gutgeschrieben werden. Wer dann selbst Hilfe in Anspruch nimmt, solle dann mit diesem Guthaben ‚bezahlen‘ können. Das Guthaben stellt dabei keinen Geldbetrag dar, sondern die gesammelten ehrenamtlichen Plus-Einträge. Es gehe also um eine institutionalisierte Form von ‚Hilfe gegen Hilfe‘, wie in der Begründung des Antrages erklärt wird. Zu denken sei dabei an Engagement wie „Babysitten für die junge Familie, Hilfe beim Einkaufen für die ältere Dame und Unterstützung bei der Gartenarbeit“. Eingebracht worden war der Antrag vom schleswig-holsteinischem Landesverband des Sozialverbandes Deutschland. „Das Ziel muss sein, dass auf diese Weise insbesondere jüngere Menschen stärker an ehrenamtliche Strukturen herangeführt werden“, heißt es in der Antragsbegründung. Bei der Konzeption und dem Aufbau eines solchen Konto-Systems benötige es hauptamtliche Unterstützung, die durch die Landesregierung zu leisten sei. Fast alle im schleswig-holsteinischen Landtag vertretenen Parteien nehmen den Vorschlag positiv auf und kündigen an, die Idee weiter zu diskutieren. „Hilfeleistungen gegen Hilfeleistungen auszutauschen und dies in Form eines virtuellen Kontos festzuhalten, ist ein sinnvolles Prinzip“, finden beispielsweise die Grünen, die eine Umsetzung im Quartier und der Kommune für am einfachsten halten. Auch die CDU-Fraktion hält es für sinnvoll, „verschiedene Ehrenämter mit einander zu verknüpfen“. Kritische Töne kommen hingegen vom SSW: „Junge Menschen zu ‚entlohnen‘ über Hilfe gegen Hilfe, um dies auf einem entsprechenden Konto gutzuschreiben, widerspricht dem eigentlichen Gedanken des Ehrenamtes. Es würde damit den Charakter des Ehrenamtes stark verändern.“ Neben diesen grundsätzlichen Bedenken, die sich auf das Prinzip eines solchen Konto-Systems beziehen, fürchtet die Fraktion auch bürokratische Hürden: „Ein solches Konto zu initiieren und dies dann entsprechend zu dokumentieren und zu aktualisieren ist mit einem enormen Verwaltungsaufwand verbunden; insbesondere für die Anwender und Nutzer.“ Der schleswig-holsteinische Bundestagsabgeordnete Mathias Stein (SPD) hebt die Bedeutung des Themas für seine Bundestagsfraktion hervor, äußert an dem Konto-Modell des Altenparlaments aber ähnliche Kritik wie der SSW: „Eine Anrechnung von ehrenamtlicher Tätigkeit in Form eines Kontos und damit auch eine Inwertstellung dieser Tätigkeiten lehnen wir (…) ab.“ Interessant ist, dass Steins Parteifreunde aus dem Landtag deutlich unkritischer auf den Beschluss reagieren. Für sie sei ein Ehrenamts-Konto „wirklich interessant“ und man wolle das „gern diskutieren“. Eine Einführung eines solchen Systems scheint allerdings zumindest auf Landesebene unwahrscheinlich. Das Sozialministerium weist darauf hin, dass die Einführung eines solchen Kontos nicht geplant sei, „auch vor dem Hintergrund der dafür zu schaffenden gesetzlichen Grundlagen im Verhältnis zu den zur Verfügung stehenden administrativen Ressourcen.“ Ob einzelne Kommunen den Vorschlag aufgreifen, bleibt abzuwarten. Zu der Broschüre zu dem letzten Altenparlament mit allen Beschlüssen und Stellungnahmen der Parteien und Ministerien gelangen Sie hier. Das schleswig-holsteinische Altenparlament kommt seit 1989 jährlich im Kieler Landtag zusammen, die nächste Sitzung findet am 29. September statt. Die Beschlüsse sind nicht bindend, geben aber immer wieder Anstöße für politische Diskussionen und Entscheidungen.
DigitalPakt Alter geht in neue Förderphase
27. April 2023Weiterlesen In der Generation der über 60-jährigen nutzen bislang bis zu sieben Millionen Menschen nicht das Internet. Der DigitalPakt Alter will dazu beitragen, dass die digitale Teilhabe älterer Menschen verbessert wird, beispielsweise durch die Förderung entsprechender Unterstützungsangebote vor Ort. Die Initiative ist 2021 durch die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) und dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) ins Leben gerufen worden und hat seither bereits 150 Erfahrungsorte im Bundesgebiet gefördert. Durch den DigitalPakt Alter schaffe man Aufmerksamkeit für die digitale Ausgrenzung von Millionen älterer Menschen, wie sie derzeit stattfinde. „Wir unterstützen wohnortnahe Lerngelegenheiten, bei denen ältere Menschen verlässliche Ansprechpersonen finden, die sich Zeit nehmen und auf Augenhöhe erklären“, kündigt Paus an. „Mit den 11 Bundesländern als neue Partner können wir für noch mehr Sichtbarkeit, Vernetzung und Wissensaustausch sorgen.“ Mit der neuen Förderphase von 2023 bis 2025 sollen weitere 150 Erfahrungsorte hinzukommen. Insgesamt unterstützt das BMFSFJ Senior*innen im Rahmen der Initiative mit etwa 3,1 Millionen Euro dabei, digitale Fähigkeiten zu erwerben.
Altersdiskriminierung als zentrales Thema
13. April 2023Weiterlesen Neun Expert*innen aus der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft waren zu einem Runden Tisch der Antidiskriminierungsstelle des Bundes geladen. Darunter Claudia Mahler, die UN-Expertin für die Rechte älterer Menschen und der stellvertretende BAGSO-Vorsitzende Jens-Peter Kruse. Eingeladen zu dem Fachgespräch hatte Ferda Ataman, die unabhängige Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes. Sie wolle das Thema Altersdiskriminierung zu einem zentralen Thema in ihrer Amtszeit machen. Angesichts des Ausmaßes dieser Diskriminierungsform ist das sicher eine sinnvolle Entscheidung – immerhin gut ein Fünftel geben Umfragen zufolge an, aufgrund des Alters in den letzten Jahren Diskriminierung erlebt zu haben. Die Folgen von Stereotypen gegenüber älteren Menschen zeigen sich unter anderem in den Benachteiligungen auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt. „Wir dürfen nicht zulassen, dass ganze Generationen von Teilhabe ausgeschlossen und abgehängt werden“, äußert Ataman zu Beginn des Fachgesprächs. Dabei nimmt sie ausdrücklich auch die jüngere Generation in den Blick: „Wir müssen Kinder und Kindeswohl ernster nehmen, Perspektiven junger Menschen stärker in politischen Gremien einbinden und ältere Menschen stärker bei der Digitalisierung mitnehmen. Das ist nicht zu viel verlangt, sondern eine Form von Diskriminierungsprävention“, argumentiert die Antidiskriminierungs-Beauftragte weiter. Drei konkrete Forderungen haben die Fachleute zusammengetragen: Es bleibt abzuwarten, ob es noch in der laufenden Legislaturperiode sichtbare Schritte in diese Richtung geben wird. Insbesondere die Forderung nach einer Aufnahme des Merkmals Alter in das Grundgesetz und die AGG-Reform liegen schon länger auf dem Tisch. Eine Reform des AGG sieht sogar der Koalitionsvertrag der Ampelregierung vor. Mehr zur Debatte um eine AGG-Reform lesen Sie hier. Über diesen Link gelangen Sie zur Seite der Antidiskriminierungsstelle.