Weiterlesen Wie die Bürgerbeauftragte El Samadoni betont, geht es hier nicht nur um einfache Unannehmlichkeiten. Stattdessen stehen Bürger*innen immer wieder vor dem Problem, dass sie auf Sozialleistungen angewiesen sind, die ihre Existenz sichern oder ein würdevolles Leben ermöglichen sollen. Einer der Hauptgründe ist dabei der Personalmangel in den Behörden. Liest man allerdings etwas weiter, findet sich ebenso Kritik an der ineffizienten Gestaltung der vorhandenen Verwaltungsprozesse und der ineffizienten Umsetzung neuer Verwaltungsprozesse – wie bspw. bei der Einführung der Kindergrundsicherung – ohne dass in den nächsten Jahren mit einer besseren personellen Lage zu rechnen sei, bilanziert El Samadoni in ihrer Einführung. Während im Bericht eine grundlegende Pflegereform befürwortet wird, zeigt sich, dass von der Ineffizienz innerhalb der aktuellen bürokratischen Prozesse gerade hilfebedürftige Menschen in prekären Lebenslagen betroffen sein werden. Wenn es also um Personal und Geld für die Pflege geht – hier zu unserem Artikel zur Effizienz in der Pflege – braucht es ebenso in den vorgelagerten behördlichen Strukturen eine effiziente Administration. Ist diese nicht gegeben, werden Pflegebedürftige und deren Angehörige bereits in ihren „existenzsichernden und würdeerhaltenden“ Ansprüchen behindert, bevor der Diskurs über eine ausreichende Pflege überhaupt beginnt. Es ist unwahrscheinlich, dass „nur“ die Menschen , die hinter den „163 Eingaben zum Bereich der sozialen Pflegeversicherung“ stehen, im Jahr 2023 mit dem Thema zu kämpfen hatten. Es bleibt im Dunkeln, wie viele der Betroffenen nach einem abgelehnten Pflegegrad oder einer unzureichenden Einstufung
Gesellschaftliches Leben
Große Änderungen der Pflegefachassistenzausbildung ab 2027
7. Oktober 2024Weiterlesen Gegenstand der Reform ist das vom Bundeskabinett beschlossene Pflegefachassistenzgesetz, durch dessen Inkrafttreten die Ausbildung in jedem Fall 18 Monate dauern und angemessen vergütet werden soll. Damit orientiert sich die Bundesrepublik Deutschland am schwedischen Modell, dessen Einführung spürbare Vorteile für die dortige Pflege mit sich brachte. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) begründen die Notwendigkeit des Gesetzesentwurfes u. a. mit einer höheren Flexibilisierung, etwa die Möglichkeit einer Teilzeitausbildung oder einer Ausbildung auch ohne Schulabschluss. Darüber hinaus kann die Ausbildung ggf. verkürzt werden, wenn bereits berufliche Erfahrungen in der Pflege vorliegen. Durch verpflichtende Praxiseinsätze in verschiedenen Pflegebereichen sollen alle Auszubildenden umfassende Einblicke in ihr zukünftiges Berufsfeld erhalten und am Ende der Ausbildung hinsichtlich Qualifikation auf demselben Stand sein. Die 27 gegenwärtigen Ausbildungen zur Pflegefachkraft und zur Pflegeassistenz sorgen für verschiedene Wissensstände und Kompetenzen unter den Arbeitnehmer:innen, was auf dem Arbeitsmarkt zu chaotischen Zuständen führen kann. Assistenzkräfte sind unverzichtbar, können dadurch aber nur teilweise in Krankenhäusern, Senioreneinrichtungen und ähnlichen Betrieben effektiv eingesetzt werden. Insbesondere ausländisches Personal kann nur äußerst schwer in den Pflegemarkt eingearbeitet werden. Dies scheitert bereits an den sehr unterschiedlichen Anforderungen und der fehlenden Anerkennung. Die betreffenden Menschen können also trotz bestehender Qualifikationen keiner pflegerischen Tätigkeit nachgehen. Der Gesetzentwurf beruht auf drei Prinzipien: Zum Einen soll die Pflegefachassistenzausbildung durch attraktive Bedingungen besser umworben werden, damit mehr Menschen sich dafür entscheiden und somit die Lücke auf dem Pflegemarkt geschlossen werden kann. Die vielschichtige Bildung des Berufsfeldes reicht dabei bis in den akademischen Bereich hinein und soll auf diese Weise Menschen verschiedener Qualifikationsstufen ansprechen. Auch sollen die in der Ausbildung vermittelten Kompetenzen die Aufgabenverteilung in der Pflege effizienter gestalten, sodass Pflegefachassistent*innen auch die Tätigkeiten von bisher höher qualifizierten Pflegefachkräften übernehmen können. Zuletzt wird die Ausbildung unter Berufung auf das Pflegeberufegesetz angemessen finanziert, sodass allen Auszubildenden ein festes Gehalt zusteht, was aktuell noch nicht der Fall ist. Eine Pressemitteilung des Bundesfamilienministeriums zu den Reformvorschlägen können Sie hier nachlesen. Nichtsdestotrotz gilt der Beschluss des Bundesfamilienministeriums als umstritten. Während Pflegeverbände als Interessenvertretung der Arbeitnehmer*innen (wie etwa ver.di) eine Anhebung der Ausbildungsdauer auf 24 Monate fordern, damit mehr Zeit für die Vermittlung fachlicher Kompetenzen bleibt, plädiert der Arbeitgeberverband bpa für eine bloß einjährige Ausbildung, damit die Auszubildenden schneller in den Arbeitsmarkt einsteigen können, wo sie dringend gebraucht werden. Die Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB) zeigt sich zudem skeptisch bezüglich des nicht mehr dringend notwendigen Schulabschlusses für einen Einstieg in die Ausbildung, da hierdurch die Gefahr bestehe, dass die Auszubildenden durch mangelnde Qualifikationen im Vorfeld nicht den Anforderungen der Ausbildung und des Berufes entsprechen würden. Darüber hinaus gehen die verbesserten Ausbildungbedingungen aus der Sicht von ver.di nicht weit genug: „Wichtig ist ver.di außerdem, dass Auszubildende Einfluss auf ihre Ausbildungsbedingungen nehmen können. Das geht nur, wenn das Ausbildungsverhältnis arbeitsrechtlich im Betrieb verankert ist und nicht nur schulisch organisiert wird. Am besten würde die Absicherung der Standards im Berufsbildungsgesetz, kurz BBiG, gelingen“, heißt es in einer Stellungnahme der Gewerkschaft.Hintergrund
Gesetzesentwurf
Kritik
Wettbewerb: Projekte zur digitalen Teilhabe in Kommunen
5. Oktober 2024Weiterlesen Nun hat der DigitalPakt Alter, eine Initiative des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO), einen Kommunenwettbewerb ausgerufen. In der Pressemitteilung dazu heißt es: „Kluge Angebote sorgen dafür, dass mehr ältere Menschen von der Digitalisierung in ihrem Alltag profitieren.“ Bis zum 31. Oktober 2024 können interessierte Kommunen ihre Projekte und Initiativen einreichen. Die ersten zehn Kommunen erhalten ein Preisgeld in Höhe von jeweils 5.000 Euro. Zur Verfügung gestellt wird das Preisgeld von der Commerzbank-Stiftung. Interessanterweise ist weiter unten nur von neun Kommunen die Rede, die von einer Jury in den Kategorien „Konzept und Strategie“, „Gute Praxis“ und „Vernetzung“ ausgewählt werden. Damit es fair bleibt, berücksichtigen die Juror*innen unter anderem die Größe der jeweiligen Kommunen. Die Preisverleihung findet dann im Rahmen des Deutschen Seniorentags vom 2. bis 4. April in Mannheim statt. Neben den Preisgeldern soll der Wettbewerb für die Teilnehmer*innen auch eine Chance sein, sich zu vernetzen und Ideen auszutauschen. Inwieweit der Wettbewerb einen Austausch ermöglicht, hängt davon ab, ob die teilnehmenden Projekte und Initiativen sich über die jeweils anderen informieren und in Kontakt treten. Unter folgenden Links geht es zur Wettbewerbsseite mit dem Bewerbungsformular, den Teilnahmebedingungen sowie Informationen zur Jury und den FAQ (englische Abkürzung für "frequently asked questions", deutsch etwa: "häufig gestellte Fragen").
Bundesinitiative Musik und Demenz
23. September 2024Weiterlesen In einer Pressemitteilung des Deutschen Musikrats werden – basierend auf der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass Musik auch Demenz und ähnlichen altersbedingten Erkrankungen entgegenwirken kann – explizite musikalische Angebote für Demenzkranke gefordert. Prof. Christian Höppner, Generalsekräter des Deutschen Musikrats, betont die Bedeutung von Musik im Alltag von Menschen mit Demenz und appelliert zu einem landesweiten Ausbau von Organisationen, Workshops und Netzwerken, die Musik für demenzkranke Menschen zugänglich machen. Zwar lässt sich Demenz weder heilen noch rückgängig machen, Betroffene können von Musik dennoch profitieren: Sie kann beruhigen, von alltäglichen Sorgen ablenken, ein Stück kulturelle Bildung vermitteln und einen Lebenssinn verleihen. Ein Jahr zuvor wurde bereits die Bundesinitiative Musik und Demenz gegründet, welche sich ganz auf die musikalischen Erfahrungen von Demenzkranken vor dem Hintergrund des Rechts auf kulturelle Teilhabe für Alle fokussiert. In einer Resolution vom 29. März 2023 richtet die Organisation sich direkt an die verantwortlichen Bundesministerien und fordert in einem Sechs-Punkte-Programm mehr Handlungen bezüglich Musik für Demenzkranke. Neben der Bereitstellung niedrigschwelliger Angebote für musikalische Teilhabe wird auch eine deutschlandweite Verfügbarkeit lokaler Anlaufstellen verlangt. Hierfür benötigt es geschulte Fachkräfte und eine gute Vernetzung der Institutionen untereinander. Die Umsetzung der vorgestellten Ansätze soll Menschen, die aufgrund körperlicher und/oder geistiger Einschränkungen über keine adäquate Vertretung ihrer kulturellen Bedürfnisse verfügen, genau diese ermöglichen, sodass auch diese durch das Musizieren, Singen oder Hören von Musik gesellschaftliche Partizipation erfahren können. Bereits im kommenden Jahr sollte das ausgearbeitete Konzept laut Resolution in die hiesige Politik integriert werden.
Veranstaltungen: Silbernetz gegen Ageismus
9. September 2024Weiterlesen Dieses Thema hat sich Silbernetz e. V. (eine kostenfreie Hotline für ältere Menschen, die sich einsam fühlen) zu eigen gemacht und eine Kampagne gestartet. Ursprünglich wurde Silbernetz 2016 in Berlin ins Leben gerufen, um Einsamkeit unter Senior*innen entgegenzuwirken. Dieses Phänomen kann als eines der größten sozialen Probleme unserer Zeit bezeichnet werden und betrifft insbesondere Menschen im Rentenalter. Eine Umfrage von Statista aus dem Jahr 2022 ergab, dass etwa jeder sechste Mensch im Alter zwischen 65 und 79 Jahren von Einsamkeit betroffen ist, in der Gruppe der über 80-Jährigen ist es sogar fast jeder vierte. Ehrenamtliche des Vereins Silbernetz bieten den Betroffenen 14 Stunden täglich die Möglichkeit für unverbindlichen telefonischen Austausch und bauen zu den Rentner*innen durch regelmäßige Anrufe einen guten Kontakt auf. Die Organisation, welche sich ausschließlich durch Spenden finanziert, wurde für ihr Wirken bereits mehrmals ausgezeichnet und wird aufgrund der steigenden Zahl älterer Menschen sowie der Nachwirkungen der Corona-Pandemie in Deutschland immer relevanter. Nun hat sich Silbernetz im vergangenen Mai ein weiteres Ziel gesetzt und mehrere Workshops organisiert, um gegen Altersdiskriminierung vorzugehen. Dabei geht es weniger darum, Ageismus konkret zu stoppen, als die Betroffenen mental zu stärken und zum persönlichen Austausch untereinander anzuregen. Nach der positiven Resonanz seitens der Teilnehmenden zum ersten Event im Juli 2024 unter dem Motto „Ageismus sichtbar machen, Veränderung bewirken!" sind vier weitere Veranstaltungen bis zum Jahresende geplant, wovon zwei über Zoom (15.10. und 05.11.2024) und zwei in Berlin (03.09. und 03.12.2024) stattfinden bzw. stattfanden. Eine Anmeldung kann per E-Mail an a.reifschneider@silbernetz.de erfolgen. Silbernetz e. V. ist jeden Tag von 8 bis 22 Uhr über die 0800 4 70 80 90 erreichbar.
Fachtagung gegen Einsamkeit im hohen Alter – 11.10.2024
2. September 2024Weiterlesen Fehlende soziale Kontakte verkürzen nachweislich die Lebensdauer und können ernsthafte psychische Schäden mit sich ziehen. Das Kompetenzzentrum Palliative Geriatrie hat Einsamkeit unter Senior*innen unlängst auf seine Agenda gesetzt und lädt am Freitag, den 11. Oktober 2024 in der Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. in Berlin-Tiergarten zur alljährlichen Fachtagung Palliative Geriatrie ein, an der über 30 Mitwirkende aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden beteiligt sind. Von 09:00 bis 17:15 können sich die Teilnehmenden mit Fragen rund um Einsamkeit im Rentenalter auseinandersetzen, praxisnahe Ansätze entwickeln und damit zum wissenschaftlichen Diskurs beitragen. Erforscht werden sollen u.a. Ursachen, Folgen der sozialen Isolation älterer und dementer Menschen sowie mögliche Vorgehensweisen dagegen, damit konkrete Handlungsschritte sowohl in der Sozialpolitik als auch im unmittelbaren persönlichen Umfeld eingeleitet werden können. Die Zielgruppe der Fachtagung unter der Leitung von Dirk Müller besteht dabei vorrangig aus medizinischem Fachpersonal, in der Geriatrie Beschäftigten und Fachkräften aus verwandten Arbeitsfeldern. Die Teilnahmekosten inklusive Verpflegung belaufen sich grundsätzlich auf 134€ pro Person – eine Online-Teilnahme an der Fachtagung, für die eines von vier Themenbereichen ausgewählt wird, ist mit 89€ etwas günstiger. Auf der Website zur Fachtagung finden Sie weitere Informationen wie auch den Flyer und das Tagungsprogramm zum kostenlosen Herunterladen. Für die Teilnahme können Sie das Anmeldeformular ausfüllen.
Forderung nach Strategie der EU für Altersgleichheit
29. August 2024Weiterlesen Die AGE Platform Europe ist das größte Netzwerk von zivilgesellschaftlichen Organisationen, die die die Interessen älterer Menschen vertreten. Auch die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) ist Mitglied. In dem Brief werden die Erfolge der europäischen Alterspolitik während von der Leyens letzter Amtszeit hervorgehoben, wie beispielsweise die Priorisierung älterer Menschen bei den Impfungen während der Corona-Pandemie. Gleichzeitig äußern die Verfasser*innen jedoch Bedenken hinsichtlich ihrer neuen Amtszeit: „Wir sind überrascht, dass ältere Menschen von heute und morgen weder in Ihren politischen Leitlinien noch in der Präsentation vor dem Europäischen Parlament erwähnt wurden. Wir vertrauen darauf, dass Sie diese Lücke schließen und Initiativen zur Gleichstellung im Alter vorschlagen werden, die auf den Schlussfolgerungen der Kommission und den Empfehlungen der Gemeinsamen Forschungsstelle und der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte sowie der Weltgesundheitsorganisation basieren. Sie alle konzentrieren sich auf die Notwendigkeit, Altersdiskriminierung als Schlüsselkomponente politischer Maßnahmen anzugehen, die die Vorteile eines längeren Lebens nutzen und die Solidarität zwischen den Generationen fördern.“ Konkret fordert AGE, dass dem Gleichstellungskommissar ein Mandat zugewiesen wird, um eine EU-Strategie für Altersgleichheit zu entwickeln. Darüber hinaus hat das EU-weite Netzwerk bereits im Januar dem Europäischen Parlament weitere Forderungen unterbreitet. Im AGE-Manifest wurden Maßnahmen vorgeschlagen, die die Altersgleichheit sicherstellen sollen. Auch die BAGSO hat ihre Forderungen an die neuen Europäischen Gesetzgeber 2024 bis 2029 unter dem Titel „Für ein solidarischen Miteinander aller Generationen in Europa“ bereits im Januar 2024 veröffentlicht. Darin geht es unter anderem um den Abbau von Altersdiskriminierung sowie die Stärkung von Solidarität und Demokratie innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten.
Weiterlesen Dass Menschen im Alter neben Themen, die spezifisch in dieser Lebensphase auf sie zukommen, immer auch ihre gesamte Lebensgeschichte mitnehmen, ist bekannt. Wir haben in unseren Artikeln das Thema von Mehrfachdiskriminierungen im Alter aufgegriffen. Dabei geht es allerdings nicht nur um sichtbare Probleme. Es gibt auch „blinde Flecken“, wie wir sie in unserem Artikel zur Demenz beschreiben. In einer Gesellschaft, in der gerade ältere Menschen, die von mehrfacher Diskriminierung betroffen sind, häufig nicht mitgedacht werden, macht es Sinn, dass ein Verband wie Lesben und Alter e.V. sich für die spezifischen Bedürfnisse und Erfahrungen dieser Menschen interessiert. Das Ausfüllen des Fragebogens dauert ca. 20 bis 25 Minuten und kann unter diesem Link anonym ausgefüllt werden. Sollte eine Online-Teilnahme nicht möglich sein, bietet der Dachverband eine Printversion an, die auf Anfrage per Post zugeschickt wird. Dafür gibt es hier ein Kontaktformular.
Pflege im Tätigkeitsbericht der Bürgerbeauftragten
22. August 2024Weiterlesen Laut Bericht waren dabei die häufigsten Themen: Grundsicherung für Arbeitsuchende (bzw. Bürgergeld) mit 673 Petitionen, Sozialhilfe mit 412 Petitionen und gesetzliche Krankenversicherung mit 397 Petitionen. Ein zunehmendes Thema ist die Pflege. So lag der Eigenanteil für die stationäre Pflege in Altenheimen im Jahr 2023 bei etwa 2.700 Euro monatlich. Aktuell liegt dieser Anteil für Schleswig-Holstein bei 2.855 Euro. Eine aktuelle Aufschlüsselung des Eigenanteils und der Kosten findet sich unter pflege.de. Zwar stellt der Bericht fest, dass betroffene Partner*innen „einen Antrag auf Hilfe zur Pflege in Form von Übernahme der Heimkosten für den Eigenanteil bei der stationären Pflege“ stellen können. Allerdings gelten dafür einige Bedingungen. Demnach besteht ein Vermögensfreibetrag für Ehepaare von 20.000 €. Zudem werden Leistungen nach dem SGB XII (Sozialhilfe), also z.B. Grundsicherung im Alter und die Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG), nicht angegriffen. Laut Deutschem Gewerkschaftsbund (DGB) beträgt die Grundrente für 2024 1.129 Euro. Die Grundsicherung liegt noch darunter. Auch Kindergeld – das gerade bei älteren Ehepaaren eher unwahrscheinlich ist – bleibt unberührt. Eine vollständige Liste findet sich auf der Seite der Verbraucherzentrale. Dort heißt es auch, dass zu den abzugsfähigen Beiträgen neben Einkommenssteuern und Beiträgen zur Sozialversicherung auch geförderte Altersvorsorgebeiträge (z.B. Riesterverträge) bis zur Höhe des Mindesteigenbeitrages nach § 86 Einkommensteuergesetz (EStG) sowie Werbungskosten abgesetzt werden können. „Das Sozialamt beteiligt sich in diesen Fällen nur dann an Pflegekosten, wenn die pflegebedürftige Person oder deren Ehe- oder Lebenspartner nicht ausreichend Einkommen oder Vermögen haben, um die Kosten bezahlen zu können.“ Mit anderen Worten, Personen, die eine Pflegeeinrichtung in Anspruch nehmen müssen, machen im Prinzip zwei Steuererklärungen. Hinzu kommt, dass viele der abzugsfähigen Gründe beim Renteneintritt wegfallen oder minimiert werden. Für Menschen mit wenig Vermögen oder Einkommen bedeutet ein Pflegefall, der nicht mehr zuhause versorgt werden kann, häufig, dass Ehepartner*innen in finanzielle Not geraten. Diese müssen oft große Teile ihres Einkommens aufwenden, was zu Altersarmut führen kann, kritisiert auch El Samadoni. Die logische Forderung wäre eine grundlegende Reform der Pflegefinanzierung in Form einer Vollkostenversicherung, ähnlich der Krankenversicherung, um eine gerechtere Finanzierung sicherzustellen. Wie der Bericht mit Bezug auf den Anstieg von Petitionen im Jahr 2023 zeigt, ist das Thema von großem Interesse für die Bürger*innen Schleswig-Holsteins. Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass die Landesregierung und der Landtag den Bericht zur Kenntnis genommen haben. Gedanken zu Plänen zur Pflegereform oder zur Effizienz in der Pflege entnehmen Sie unseren jeweiligen Beiträgen.
UNECE: Psychische Gesundheit im Alter als blinder Fleck
15. August 2024Weiterlesen Laut „Policy Brief“ der UNECE vom Juni 2024 zählen dabei ältere Frauen, Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status und Bewohner*innen von Langzeitpflegeeinrichtungen zu den zentralen Risikogruppen. Insbesondere Depressionen machen dabei mit fast 30 % einen großen Teil der Problemlage aus. Fast 80 % der Depressionen bleiben dabei unbehandelt. Mit ca. 25 % an Depression erkrankten Personen unter Personen ab 60 Jahren liegt Deutschland dabei im Mittelfeld der UNECE-Länder. Betrachtet man die Unterschiede nach Geschlecht und Alter, so liegt Deutschland auf Platz 19 bzw. 22 von 28 Ländern. Insbesondere Bildung, die zudem häufig mit sozioökonomischen Faktoren wie einem geringeren Verdienst korreliert, stellt laut UNECE in Deutschland einen bedeutenden sozioökonomischen Ungleichheitsfaktor in Bezug auf Depressionen dar. Ein weiterer zentraler Risikofaktor ist Einsamkeit. Auch hier sind in einigen europäischen Ländern fast 30 Prozent der älteren Menschen betroffen. Durch die Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie wurde der Einsamkeitsfaktor zudem noch verschärft. Dabei beginnen die Ursachen bereits weit vor den Symptomen, unter denen Menschen in einer späten Lebensphase zu leiden haben. „Die physische und soziale Umgebung, in der Menschen leben und altern, prägt ihre körperlichen und geistigen Fähigkeiten im Laufe ihres Lebens und spielt eine bedeutende Rolle für die psychische Gesundheit. Zum Beispiel kann das Leben in Wohnvierteln mit hohen Kriminalitätsraten oder der Angst vor Verbrechen zu chronischer Angst führen, was die soziale Interaktion und Teilnahme am Gemeinschaftsleben einschränken kann.“ Auch individuellere Umstände spielen eine Rolle. Für Personen, die bspw. sozioökonomisch schlecht abgesichert sind, können hohe Behandlungs- und Pflegekosten zu Stress und Angst beitragen, was das Risiko für psychische Störungen erhöht. Der Bericht stellt konkrete Strategien und Beispiele aus verschiedenen Ländern vor, die sich mit einer Verbesserung im Umgang mit der psychischen Gesundheit befassen. Für Deutschland ist es der Ratgeber „Entlastung für die Seele. Ein Ratgeber für pflegende Angehörige“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO). Neben der Beschreibung von „typischen“ Belastungen, auf die pflegende Angehörige treffen können, geht es hierbei auch um „Wege […], wie ein gesunder Umgang mit den eigenen Kräften gelingen kann“. Dazu zählt auch, rechtzeitig Entlastung und Hilfen von außen in Anspruch zu nehmen. Zu diesem Zweck gibt der Ratgeber konkrete Unterstützungsangebote. Allerdings fokussiert der Ratgeber der BAGSO auf individueller Hilfe, es werden keine systemischen, präventiven Maßnahmen benannt. Die UNECE kommt zu dem Ergebnis: „Die psychische Gesundheit älterer Menschen wird durch die Ansammlung von Erfahrungen und Herausforderungen beeinflusst, denen sie im Laufe ihres Lebens begegnet sind, einschließlich im späteren Leben. […] Durch Investitionen in frühzeitige Präventionsinitiativen wie Bildungsprogramme zur psychischen Gesundheitskompetenz und die Förderung sozialer Kontakte in Kindheit und Jugend können politische Maßnahmen dazu beitragen, Menschen mit den Werkzeugen auszustatten, um den Stress des Lebens zu bewältigen. Darüber hinaus kann die Förderung gesunder Lebensgewohnheiten, einschließlich regelmäßiger körperlicher Aktivität, sozialer Kontakte sowie psychischer Gesundheit am Arbeitsplatz während des gesamten Erwachsenenalters erheblich zur psychischen Gesundheit im späteren Leben beitragen. Diese frühen Investitionen können nachhaltige Auswirkungen haben und eine Grundlage für Resilienz und psychische Gesundheit im Alter schaffen.“ Die Bekämpfung psychischer Erkrankungen in den späten Lebensphasen beginnt also damit, sozioökonomische Ungleichheiten in der Kindheit zu kompensieren und die Menschen während und über die Erwerbsphase hinaus nicht allein zu lassen.