Der schleswig-holsteinische Landtag befasst sich derzeit unter anderem mit der Situation pflegender Angehöriger. Nach einem im November vorgelegten Bericht der Landesregierung liegt das Thema nun beim Sozialausschuss zur abschließenden Beratung.
Zahlreiche Stellungnahmen von Organisationen und Verbänden sind in den letzten Wochen beim Sozialausschuss des Landes Schleswig-Holstein eingegangen. Anlass dafür ist die abschließende Beratung, zu der das Thema in den Sozialausschuss überwiesen worden ist. Im November hatte die Landesregierung einen rund 40-seitigen Bericht zur Situation pflegender Angehöriger in Schleswig-Holstein vorgelegt, der im 25.11.2021 in der Plenardebatte diskutiert wurde.
Die Zahl von Menschen, die Angehörige in der Häuslichkeit pflegen, werde statistisch nicht erhoben. Laut Bericht liege die Zahl der Pflegegeldempfänger*innen im nördlichsten Bundesland jedoch bei 63.439. Darunter seien auch rund 7.000 Personen berücksichtigt, die aufgrund des Pflegegrades 1 ausschließlich den Entlastungsbetrag erhalten. Von allen Personen, die Leistungen der Pflegeversicherung in Schleswig-Holstein beziehen, würden rund 70 Prozent zu Hause versorgt. Die Pflege älterer Menschen müsse auch vor dem Hintergrund der Demografie zunehmend als „gesamtgesellschaftliche Verantwortung“ gesehen werden. Das bedeute ein „Ineinandergreifen von familiärer, niedrigschwelliger, semiprofessioneller, professioneller ambulanter und stationärer Versorgung“.
Ein wichtiges pflegepolitisches Ziel – in jedem Kreis und jeder kreisfreier Stadt eine niedrigschwellige Anlauf- und Beratungsstelle zu haben – habe man mit der Eröffnung des Pflegestützpunktes im Kreis Schleswig-Flensburg im Jahr 2020 erreicht. Auch die Zahl der Plätze in Tagespflegeeinrichtungen sei in den vergangenen Jahren gestiegen. Als pflegepolitische Herausforderungen nennt der Bericht unter anderem den Ausbau der Kurzzeitpflege und die Digitalisierung.
Die Bürgerbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein für soziale Angelegenheiten, Samiah El Samadoni, begrüßt den Bericht der Landesregierung. Der Bericht spiegele eine Reihe von Schwierigkeiten, die auch die Bürgerbeauftragte aus ihrer Beratungstätigkeit kenne. Allerdings käme es jetzt darauf an, wie die Situation der pflegenden Angehörigen verbessert werden kann. „Entlastungen von pflegenden Angehörigen können nur durch eine Ausweitung der bestehenden Angebote, Prüfung der Funktionalität der bestehenden Angebote und der Vereinfachung der Nutzung von Leistungen der Pflegeversicherung erreicht werden“, so El Samadoni in ihrer Stellungnahme.
Der BIVA-Pflegeschutzbund bescheinigt dem Land, mit ihren Ansätzen „in die richtige Richtung (zu) gehen“. Gleichwohl sollte der Fokus noch stärker auf „Prävention und Einbettung der Menschen mit Pflegebedarf sowie die pflegenden Angehörigen in die Gesamtgesellschaft“ gelegt werden. Dies sei gerade in den Kommunen durch einen direkteren Zugang möglich, sodass hier Land und Kommunen eng zusammenarbeiten sollten. Zur Stellungnahme von BIVA gelangen Sie hier.
Der Sozialverband VdK Nord kritisiert, dass der Bericht das mit der Pflege von Angehörigen in Zusammenhang stehende Thema Armut vernachlässige. Insbesondere für Frauen, die häufiger Angehörige pflegen als Männer, habe das große finanzielle Folgen, darunter auch Armut im Alter. „Die Einkommensverluste schmälern später die Rente. Nur wenn Pflegende gut abgesichert werden, verhindert das Altersarmut und im schlimmsten Fall den Gang zum Sozialamt“, heißt es in der Stellungnahme des Verbands. „Angehörigenpflege muss deshalb in der Rente den gleichen Stellenwert haben wie Kindererziehung.“
Interessant dürften auch die Ergebnisse einer Studie sein, die durch den Sozialverband VdK zur Situation pflegender Angehöriger in Auftrag gegeben wurde und voraussichtlich im Mai 2022 veröffentlicht werden soll. „Mit der deutschlandweiten Studie soll in Erfahrung gebracht werden, welchen Belastungen Menschen, die zu Hause pflegen und gepflegt werden, tatsächlich ausgesetzt sind und wie ihnen konkret und spürbar geholfen werden kann“, kündigt der Sozialverband an.