Zu dem Thema „Autofahren und Demenz – Selbstbestimmung oder Risiko? Was Betroffene, Angehörige und Ärzte tun können!“ veranstaltete das Kompetenzzentrum Demenz am 26.08. einen Fachtag. Hier können Sie die Ergebnisse dieses Fachtages nachlesen.
Unter der Moderation von Antje Holst gewährte ein Ehepaar Einblick in seine ganz persönliche Erfahrung mit dem Thema. Seit drei Jahren leben sie mit der Diagnose Alzheimer des Ehemannes. Die Fahrfehler häuften sich, es kam zu kleineren und größeren Schäden. Gemeinsam gingen sie das Thema an. Sie holten sich Rat von der Alzheimer Gesellschaft und der AWO- Beratungsstelle Demenz und Pflege. „Man muss den Mut haben, sich der Sache zu stellen“, meint der Erkrankte. Inzwischen fährt er nicht mehr Auto. Gemeinsam haben sie ihr ländliches Leben aufgegeben und dind umgezogen, um näher an allen täglichen Zielen zu sein. Neue Hobbies haben sich aufgetan und Netzwerke, so dass nicht alles allein bewältigt werden muss.
Frau Dr. med. Hannelore Hoffman-Born vom Verkehrsmedizinischen Competenz-Centrum in Frankfurt betonte, dass Menschen mit leichter Demenz häufig noch in der Lage sind sicher genug Auto zu fahren. Ausschlaggebend seien der jeweilige medizinische Befund, der Krankheitsverlauf und die Persönlichkeit der Erkrankten. Von angedachten SeniorInnenzuschlägen bei der KFZ-Versicherung hält sie nichts. Besser wäre eine Reduktion der Beiträge bei Nachweis von freiwilligen Fahrtauglichkeitstests. Das Auto müsse alle zwei bis drei Jahre zum TÜV, obwohl Fahrzeugmängel nur für 0,9% der Unfälle mit Personenschäden Ursache sind. In 87,7% der Fälle ist der Fehler beim Menschen zu finden. Die Argumentation „Ich fahr doch nur noch zum Arzt oder zum Friedhof.“, zählt nicht, denn mit fehlender Fahrpraxis steigt auch das Unfallrisiko. Ärzte seien bei Hinweisen auf Eigen- oder Fremdgefährdung durch die Teilnahme ihrer PatientInnen am Straßenverkehr zu verständlichen Mitteilungen verpflichtet. Den Erkrankten und unter Umständen auch den Angehörigen gegenüber.
Auch der Rechtsanwalt Jürgen Peitz aus Bielefeld betonte, dass es bei leichter Demenz keine festgelegte Grenze für die Fahreignung gäbe. Doch obwohl das Umfeld das Fortschreiten der Erkrankung wahrnimmt, setzt das Nachdenken häufig erst bei der Frage ein, ob die eigenen Kinder bei Opa noch mitfahren dürfen. In Deutschland ist jeder selbst dafür verantwortlich zu entscheiden, ob er noch fahren kann. Fährt er, obwohl er dazu nicht mehr in der Lage ist, handelt er fahrlässig. Ist er nicht mehr in der Lage, seine Fahrtüchtigkeit einzuschätzen aber das Umfeld erkennt eine konkrete Gefahrensituation, so sind diese Personen unter Umständen verpflichtet einzuschreiten. Gut ist es deshalb sich rechtzeitig Notizen über Fahrauffälligkeiten zu machen, mit der PartnerIn ins Gespräch zu kommen und Fachkompetenz einzufordern. Hilfe gibt es z.B. durch verkehrsmedizinisch fortgebildete ÄrztInnen oder anlassbezogene anonyme Überprüfungen der Fahrtauglichkeit.
Solche Möglichkeiten zeigte der TÜV-Nord in der Pause dem aufgeschlossenen Publikum direkt vor Ort.
Über den Stand eines Forschungsprojektes zu Autofahren und Demenz für die hausärztliche Praxis informierte Dr. rer. Nat. Michael Pentzek vom Institut für Allgemeinmedizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. In Zusammenarbeit mit der Deutschen Alzheimer Gesellschaft soll das Projekt helfen, über das
emotional behaftete Thema ins Gespräch zu kommen. Gemeinsam mit PatientInnen mit leichter Demenz können HausärztInnen durchaus individuell angepasste Mobilitätsprofile erstellen. So könnten z.B. Stoßzeiten gemieden, nur bestimmte Strecken gefahren oder Hilfe durch eine BeifahrerIn in Anspruch genommen werden. Ziel ist die Aufnahme von Handlungsempfehlungen in die Leitlinien der ÄrztInnen.
Zum Abschluss stellte das Kompetenzzentrum Demenz seine neue Orientierungshilfe „Autofahren und Demenz – Was Betroffene, Angehörige und Ärzte tun können!“ vor. Sie gibt Auskunft, ob die Fahrtauglichkeit nachlässt und welche Schritte getan werden sollten, um sicher mobil zu bleiben. Die neue Broschüre kann für 2,50 € + Versandkosten über das Kompetenzzentrum Demenz, Alter Kirchenweg 33-41, 22844 Norderstedt, Telefon 040 – 609 264 20, Fax 040 – 30857986 oder info@demenz-sh.de bestellt werden.
Weitere Hinweise zum Thema liefern unsere Literaturempfehlungen. Ein Ergebnis der Studie „Demenz und Verkehrssicherheit“ der Bundesanstalt für Straßenwesen ist, dass keine nennenswerten Leistungseinbußen bei AutofahrerInnen mit leichter Demenz bestehen. Der Blogeintrag Demenz und Autofahren von Dipl. Psychologe Hardy Holte sei in diesem Zusammenhang ebenfalls wärmstens empfohlen.