In Deutschlands nördlichstem Bundesland sei die Zahl der arbeitenden Rentner*innen im Zehn-Jahres-Vergleich deutlich gestiegen. Das geht aus Zahlen der Arbeitsagentur hervor, die der NDR ausgewertet hatte. Sozialverbände kritisieren die Entwicklung.
Anfang Juni schreibt der NDR in einem Beitrag: „Sie tragen Zeitungen aus, geben Nachhilfe, arbeiten als Fahrer oder gehen putzen: In Schleswig-Holstein gehen immer mehr Menschen im Rentenalter arbeiten.“ Auf diesen Schluss kommt der Sender aus der Auswertung von Daten der Arbeitsagentur.
Im September 2021 – das waren die jüngsten Daten, die vorlagen – habe es 39.000 Beschäftigte im Alter von mindestens 67 Jahren gegeben. Fünf Jahre zuvor seien es noch 33.000 gewesen, vor zehn Jahren sogar nur 27.000 erwerbstätige Rentner*innen. Die meisten dieser Menschen seien aktuell geringfügig beschäftigt (sog. Minijobs). Einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung sei hingegen nur jede*r fünfte arbeitende Rentner*in nachgegangen.
Kritik daran kommt unter anderem vom Sozialverband (SoVD) Schleswig-Holstein: „Wenn eine 70-Jährige aus wirtschaftlicher Not noch Zeitungen austragen muss oder ein 70-Jähriger die Einkaufswagen im Discounter ‚einsammelt‘, stimmt etwas nicht in unserer Gesellschaft“, kritisiert der Landesvorsitzende Alfred Bornhalm gegenüber dem NDR Schleswig-Holstein.
Auch der Sozialverband VdK kritisiert diese Entwicklung. So gebe es zwar auch einige, die aus Spaß weiterarbeiten würden. „Aber viele brauchen das tatsächlich für ihren Lebensunterhalt. Dass sie überhaupt Essen und Medikamente kaufen können. Dass sie sich ihre Wohnung leisten können“, wird Ronald Manzke, Geschäftsführer des VdK Nord, in dem Artikel zitiert.
Fraglich ist jedoch, ob das durch die hier genannten Verbände gezeichnete Bild einer wirtschaftlich erzwungenen Erwerbstätigkeit im Ruhestand für alle Senior*innen zutrifft. Anfang Juni berichteten wir auf diesem Portal von einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), nach der andere Gründe im Vordergrund stünden. Mit jeweils über 90 Prozent werden dort „Spaß an der Arbeit“, „Weiterhin eine Aufgabe haben“ und „Kontakt zu anderen Menschen“ als Hauptmotive für eine Erwerbstätigkeit im Rentenalter genannt. „Finanzielle Situation“ geben 43 Prozent der arbeitenden Rentner*innen als Grund an.
Nichtsdestotrotz: Auch wenn nach Ergebnissen der Studie vor allem bei Menschen mit höherem Bildungsniveau die Wahrscheinlichkeit steigt, auch aus anderen Gründen weiterhin einer Beschäftigung im Rentenbezug nachzugehen, dürfen die finanziellen Motive nicht vernachlässigt werden. Gerade im unteren Einkommensbereich sei das überproportional häufig ein Motiv – darauf weist auch die IAB-Studie hin.
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