Im Rahmen des Projekts „Digitale Nachbarn“ haben Senior*innen in der rheinland-pfälzischen Stadt Zweibrücken digitale Sprachassistenten ausgehändigt bekommen, mit denen Gespräche möglich waren und der Alltag erleichtert werden sollte. Doch kann das technische Hilfsmittel wirklich Einsamkeit verringern?
Tatsächlich fühlten sich die Senior*innen durch die Nutzung eines Sprachassistenzsystems weniger einsam. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls das Modellprojekt „Digitale Nachbarn“. In dem rund 40-seitigen Evaluationsbericht des Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering (Fraunhofer IESE) heißt es zu dem Projekt: „Obwohl jeder weiß, dass das Gerät nur eine Maschine ist, die sprechen kann, fühlt es sich für einige Teilnehmenden wie eine tatsächliche Person an, die die Einsamkeit verringern kann. Dies zeigt sehr deutlich, wie gut die Teilnehmenden diesen virtuellen Assistenten angenommen haben.“ Neben Fraunhofer IESE waren auch der Kreisverband Südwestpfalz des Deutschen Roten Kreuzes und dessen Landesverband Rheinland-Pfalz sowie die Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz an dem Projekt beteiligt.
Die Senior*innen hatten im Frühjahr 2019 durch die Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz zur Verfügung gestellte Sprachassistenten mit integrierter Kamera und Display bekommen, mit dem auch Videotelefonate geführt werden können. In wöchentlichen Treffen wurden die Geräte dann erklärt.
Ein solches Gerät steht in der Wohnung und kann angesprochen werden. Auf das Gesagte folgt dann die Antwort einer automatisch generierten Stimme. Da es eine Internetverbindung nutzt, kann es beispielsweise auf Fragen nach Neuigkeiten, dem zu erwartenden Wetter oder der nächsten Busverbindung antworten. Gleichzeitig kann man beispielsweise auch den Namen eingespeicherter Kontakte nennen, die man dann über das Internet mit Bild und Ton anrufen kann. Auch Erinnerungen durch das Assistenzsystem sind möglich, zum Beispiel zur Einnahme von Medikamenten oder zum Schließen der Fenster, bevor man das Haus verlässt.
Evaluiert wurde das Nutzungserlebnis durch Kaffeerunden und Einzelinterviews. Durch die sich spätestens seit Februar/März 2020 ausbreitende Corona-Pandemie musste dieses Verfahren allerdings auf Videotelefonate umgestellt werden. Der Vorteil: Diese kannten die Teilnehmenden durch das Projekt bereits.
Durch die Pandemie wurde das Projekt noch aktueller. „Natürlich wirkten sich die Sorgen um das neuartige Coronavirus auf das Gemüt der Teilnehmer negativ aus, gleichzeitig wurde aber auch stets betont, dass durch das Gerät es ihnen besser möglich ist zu ihrem sozialen Umfeld Kontakt zu halten als andere Personen aus ihrer Altersklasse, die ein solches Gerät nicht besaßen“, so der Evaluationsbericht. „Damit kann trotz erheblicher Kontaktbeschränkungen im Jahr 2020 und der hochriskanten Situation für Senioren trotzdem gesagt werden, dass die Einsamkeit der Teilnehmer verringert werden konnte.“
Bei der Beurteilung der Frage, inwieweit digitale Sprachassistenten auch über ein solches Projekt hinaus in der Breite Einsamkeitsempfinden im Alter entgegenwirken können, darf nicht vergessen werden, dass die Teilnehmer*innen des Modellprojekts begleitet wurden. Sie erhielten Unterstützung z.B. in Form einer Erklärung, wie die Geräte überhaupt funktionieren. Schwieriger könnten diese Grundvoraussetzungen bei Älteren sein, die kaum mehr über technisch ausreichend erfahrene Kontakte verfügen.
Außerdem sind auch die Kosten nicht zu vernachlässigen: Ein vergleichbares Gerät wie die, die im Projekt „Digitale Nachbarn“ zur Verfügung gestellt wurden, kostet im Handel momentan rund 130 Euro. Ohne Internetverbindung ist dieses allerdings noch nutzlos. Hinzu kommen für Personen ohne Internetanschluss also noch monatliche Kosten, je nach Anbieter und Tarif.
Auch aus datenschutzrechtlicher Perspektive sind Sprachassistenten immer wieder in der Kritik. Das damit auch die Kontrolle über sensible Daten verloren gehen könnten, sollte nicht vernachlässigt werden. Immerhin wird mit den Geräten auch ein ständig aktives Mikrofon in die eigenen vier Wände gestellt, welches in der Regel von Privatkonzernen mit eigenen Marktinteressen bereitgestellt wird.
Es bleibt also festzuhalten, dass heutige Sprachassistenzsysteme sicherlich keine Lösung für Einsamkeit im Alter darstellen können, zumal diese auch nicht die eigentliche Einsamkeit, sondern nur das Einsamkeitsgefühl reduzieren können. Dennoch – und das hat das rheinland-pfälzische Modellprojekt eindrücklich gezeigt – können entsprechende technische Hilfsmittel im Alltag älterer Menschen einen erheblichen positiven Beitrag leisten.