Ein im Mai erschienener Fachbeitrag von Elke Dahlbeck, Mitarbeiterin des Instituts Arbeit und Technik (IAT) mit Sitz in Gelsenkirchen, zeigt die finanziellen Engpässe der Kommunen auf und verweist auch auf die Folgen für Senior*innen und die Pflegesituation vor Ort.
Bereits vor drei Jahren gaben die Kommunen in NRW mehr aus als sie einnahmen. Dieses Ungleichgewicht verhindert das Umsetzen einer optimalen Sozial- und Senior*innenpolitik, wodurch das Gemeinwohl der Bevölkerung nicht ausreichend berücksichtigt werden könne. Im Krankheits- und Pflegefall stünden zumeist weniger finanzielle, materielle und personelle Hilfsmaßnahmen als notwendig zur Verfügung.
Eine einheitliche Definition des Aufgabenbereiches der Kommunen existiert in Deutschland nicht. Grundsätzlich liegt ihre Verantwortung jedoch in der Familien- und Schulpolitik sowie in der Überwachung und Verwaltung der gesundheitlichen Lage. Je nach Aufgabe können die Kommunen beliebige Herangehensweisen wählen und dafür entsprechend viele finanzielle und personelle Mittel in Anspruch nehmen. Dies fällt den Kommunen allerdings zunehmend schwerer – einer der Gründe hierfür liegt in den steigenden Kosten der Pflegeversicherung. Können Versicherte diese nicht selbst tragen, ist es möglich, gemäß SGB XII Hilfe zur Pflege (HzP) zu beantragen, welche dann von den Kommunen übernommen wird. Der demographische Wandel in Kombination mit steigender Altersarmut führt zu einer immer höheren Nachfrage diesbezüglich, sodass umso weniger Gelder für andere kommunalpolitische Bereiche übrigbleiben.
Die Kommunen Nordrhein-Westfalens erhalten vom Land zwar Unterstützung beim Erarbeiten eines Plans für zukünftige sozialpolitische Maßnahmen, um die eigenen Aufgaben besser konzipieren und strukturieren zu können, eine Realisierung dessen ist aber nicht immer möglich. Eine Spezialisierung auf konkrete Pläne für Senior*innenpolitik konnte bisher auch nur in einem Bruchteil aller Kommunen des Landes erfolgen.
In den letzten 15 Jahren haben sich die Bruttosozialtransferausgaben pro Kopf in NRW in etwa verdoppelt, was durch die finanziellen Schwierigkeiten der Kommunen widergespiegelt wird. Zeitgleich ist der Anteil der Leistungsempfänger*innen von HzP im Land leicht angestiegen – 2023 waren dies gut 0,4% der gesamten Bevölkerung Nordrhein-Westfalens. Die Bruttoausgaben für die HzP pro Einwohner*in erlebte ebenfalls einen Anstieg und beträgt mittlerweile über 50 Euro pro Kopf. Dabei gilt zu berücksichtigen, dass die Mehrheit der auf HzP angewiesenen Personen über einen hohen Pflegegrad verfügt, in Pflegeheimen untergebracht ist und dadurch eine Vielzahl unterschiedlicher Ressourcen benötigt. Mehr Leistungsempfänger*innen in stationären Einrichtungen bedeuten damit mehr Gelder seitens der Kommunen, die in die HzP fließen.
Eine allgemeine Verbesserung der Situation sei laut Fachbericht auf eine „aufgabengerechte Zuteilung der Steuern, eine Entbürokratisierung sowie eine Prüfung der durchzuführenden Aufgaben und der entsprechenden Finanzierung“ angwiesen, doch auch eine „Neuordnung des fragmentierten Sozialsystems“ müsse hierfür in Erwägung gezogen werden.
Darüber hinaus haben erste Kommunen bereits Bemühungen hinsichtlich einer intensiveren Prävention der Pflege geziegt, die stärker sozialraumorientiert ausgerichtet ist und auf Netzwerkarbeit fußt. Senior*innen, insbesondere die Gruppe der Pflegebedürftigen, sollen dadurch auf effektivere Hilfsmaßnahmen hoffen können, die sich mehr an den tatsächlichen Interessen der Bevölkerung orientieren und sowohl gesundheitlich als auch finanziell möglichst große Vorteile und Entlastungen bringen.
Damit ein solches Maßnahmenpaket die Bevölkerung erreichen kann, erscheint eine logistische Optimierung jedoch unabdingbar: Eine gerechtere Verteilung von Aufgaben und finanzieller Mittel spiele hierfür ebenso eine Rolle wie die Aufstockung des fehlenden Personals. Eine Senkung der Eigenanteile an der Pflegeversicherung als Gegenmaßnahme zur finanziell unter Druck stehenden Senior*innenpolitik der Kommunen ist dagegen bereits vom Tisch.
Sollte auch langfristig keine Lösung gefunden werden, um die Haushalte der Kommunen in NRW zielgerichteter zu unterstützen, drohen insbesondere in sozial schwächeren Regionen schwere gesundheitliche und finanzielle Nachteile für Senior*innen, sodass beispielsweise Pflegebedürftige nicht ohne Weiteres gemäß ihrer Bedürfnisse versorgt werden können. Abgesehen von einem dringend notwendigen Bürokratieabbau, besteht aktuell keine akute Möglichkeit, den kommunalen Etats engegenzukommen.
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