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Bei der Auseinandersetzung um Armut im Alter, von der insbesondere Frauen bedroht sind, fällt hin und wieder der Begriff „Gender Pension Gap“. Geläufiger ist der sogenannte „Gender Pay Gap“. Doch was meinen die Begriffe eigentlich?

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Kürzlich haben wieder zahlreiche Organisationen den Weltfrauentag am 8. März zum Anlass genommen, über die Ungleichheit der Einkommen zwischen Frauen und Männern aufzuklären. Sie fordern unter anderem die Überwindung des "Gender Pay Gap", also der Lücke zwischen dem Lohn im Vergleich der Geschlechter. Ausgerechnet auf einen Tag zuvor fiel bereits der sogenannte "Equal Pay Day". Bis zu diesem Tag arbeiten Frauen mit Blick auf die Lohnlücke statistisch gesehen umsonst. Knapp 18 Prozent verdienen Frauen weniger als Männer, im Durchschnitt erhalten weibliche Arbeitnehmerinnen 4,31 Euro weniger Stundenlohn (brutto) als ihre männlichen Kollegen.

Nun liegt es nahe, dass Frauen, die im Erwerbsleben deutlich weniger Gehalt beziehen, auch im Alter von niedrigeren Renten betroffen sind. Und da kommt der Begriff des Gender Pension Gap ins Spiel. 2021 erhielten Frauen fast ein Drittel geringere Alterseinkünfte als Männer, wie aus Daten des Statistischen Bundesamtes hervorgeht. Frauen, die 65 Jahre und älter waren, bezogen in dem Jahr Alterseinkünfte in Höhe von 17 814 Euro brutto im Jahr. Bei Männern dieser Altersgruppe waren es hingegen 25 407 Euro brutto.

Noch drastischer fällt die Rentenlücke aus, wenn Einkünfte aus Hinterbliebenenrenten abgezogen werden. 29 Prozent der Frauen ab 65 Jahren haben im Jahr 2021 Leistungen aus dieser Rentenart erhalten. Dabei handelt es sich allerdings um sogenannte abgeleitete Ansprüche, die Höhe hängt also von den Rentenansprüchen des verstorbenen Partners ab. Wird der Gender Pension Gap um die Ansprüche aus einer Hinterbliebenenrente bereinigt, liegt dieser sogar bei über 42 Prozent.

Die Ursachen dafür sind vielfältig. Neben der ohnehin schlechteren Bezahlung im Erwerbsleben (Gender Pay Gap) sind Frauen zudem häufiger in Teilzeit beschäftigt, nehmen häufiger als Männer Auszeiten für Erziehungs- und Pflegetätigkeiten und sind seltener in gut bezahlten Führungspositionen zu finden. Eine Folge der niedrigen Rentenansprüche ist die höhere Armutsgefährdungsquote von Frauen. Mehr als jede fünfte Frau ab 65 Jahren ist von Armut bedroht. Bei Männern dieser Altersgruppe fällt die Zahl mit 17,5 Prozent erwartungsgemäß niedriger aus.

Mit einem Ende der ungleichen Alterseinkünfte ist alsbald nicht zu rechnen. „Auch bei den aktuell Erwerbstätigen ist für die Zukunft ein geschlechtsspezifisches Gefälle bei den Alterseinkünften zu erwarten“, prognostiziert das Statistische Bundesamt. „Dafür spricht unter anderem die unterschiedliche Teilzeitquote von Männern und Frauen. Hier schlagen sich Geschlechtsunterschiede besonders deutlich nieder“.

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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat kürzlich einen Entwurf für eine Pflegereform vorgelegt, die Pflegebedürftige und ihre Angehörigen entlasten solle. Kritik gibt es nicht nur aus der Opposition und von Sozialverbänden, sondern auch aus den Regierungsfraktionen.

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Bereits 2022 sollte das Pflegegeld an die Preisentwicklung angepasst werden. Das hatte zumindest der Koalitionsvertrag der Ampelregierung vorgesehen – angehoben wurde es indes nicht. „Die Betroffenen und ihre Angehörigen gehen finanziell unter, aber die Bundesregierung schaut nur zu“, hieß es von Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Bei dem Pflegegeld handelt es sich um eine monatliche Leistung der Pflegeversicherungen an Pflegebedürftige, die zuhause von Angehörigen oder Freunden gepflegt werden und mindestens Pflegegrad 2 haben.

Nun sieht immerhin ein Referentenentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium eine Erhöhung des Pflegegeldes vor. Die Leistung soll um fünf Prozent steigen. Gleiches gilt für die ambulanten Sachleistungsbeträge. Auch die Zuschläge zu den Eigenanteilen, die Bewohner*innen von Pflegeeinrichtungen zu zahlen haben, sollen erhöht werden. Der Zuschuss soll im ersten Jahr 15 Prozent statt wie bislang fünf Prozent betragen und nach dem ersten Jahr jeweils um fünf Prozent erhöht werden. Die bislang getrennten Leistungsbeträge für Leistungen der Kurzzeit- und der Verhinderungspflege sollen künftig außerdem in einen gemeinsamen Jahresbetrag zusammengeführt werden. Auch das Pflegeunterstützungsgeld soll nach Vorstellungen des Ministers ausgeweitet werden. Diese Leistung erhalten Arbeitnehmer*innen, wenn sie akut Familienmitglieder pflegen müssen.

Das alles kostet Geld. Die Pläne von Karl Lauterbach sehen daher eine Beitragserhöhung um 0,35 Prozentpunkte vor. Kinderlose sollen dabei mehr zahlen, mit jedem Kind nimmt die Belastung ab. Fraglich ist, ob das reicht. Wie in einem Beitrag der Tagesschau berichtet wird, geht der GKV-Spitzenverband davon aus, dass die Beitragserhöhung nur kurzfristig helfe. Für eine strukturell bessere Finanzierung der Pflegeversicherung brauche es Steuermittel. Dafür setzen sich auch die Grünen ein, Finanzminister Christian Lindner (FDP) lehnt das ab.

Doch weitere Diskussionen sind nicht nur um die mittel- und langfristige Finanzierung zu erwarten. Auch inhaltlich kündigt sich bereits Kritik am Ende Februar bekannt gewordenen Gesetzentwurf an: „Mit dem Gesetz sollen Pflegebedürftige und ihre An- und Zugehörigen entlastet werden. Eine gute Absicht – der Entwurf bleibt aus Verbrauchersicht allerdings deutlich hinter dem Handlungsbedarf zurück“, kritisiert Thomas Moormann vom Verbraucherzentrale-Bundesverband (vzbv), der dort das Team Gesundheit und Pflege leitet. „Verbraucherinnen und Verbraucher erhalten erneut keine spürbaren finanziellen Entlastungen, obwohl diese dringend benötigt werden.“ Der vzbv hat zu dem Entwurf des Gesundheitsministeriums im März eine ausführliche Stellungnahme veröffentlicht.

Der Sozialverband VdK spricht bei der Pflegegelderhöhung von einem „Tropfen auf den heißen Stein“, seit der letzten Anpassung 2017 gebe es schließlich einen Preisverfall von 14 Prozent. Die gestiegenen Kosten würden also bei weitem nicht gedeckt werden. „Die Pflegereform muss ein großer Wurf werden. Doch bei den bisherigen Plänen fehlt es noch an vielen Ecken und Enden. Pflegende Angehörige erhalten weiterhin keine finanzielle Sicherheit, trotz ihrer enormen Arbeitsleistung in der Pflege“, bewertet die VdK-Präsidentin Verena Bentele das Vorhaben. Der Verband fordert unter anderem einen Pflegelohn für pflegende Angehörige.

Auch Oppositionspolitiker Tino Sorge (CDU), gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, hält eine Erhöhung von fünf Prozent für nicht ausreichend. Das decke bei rund zehn Prozent Inflation nur die Hälfte der gestiegenen Kosten, argumentiert der Abgeordnete laut Tagesschau. Doch in dem Beitrag wird auch Kritik aus den Regierungsfraktionen erwähnt: So seien die Pläne laut Grünen-Abgeordneten Maria Klein-Schmeink unzureichend. Es müsse „noch nachgebessert“ werden.

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Seit Wochen erreichen uns Bilder hunderttausender Protestierender in Frankreich. Grund dafür ist eine umstrittene Rentenreform. Manchmal lohnt sich ein Blick in unsere Nachbarstaaten, die Debatte um ein späteres Renteneintrittsalter nimmt schließlich auch hierzulande an Fahrt auf.

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Obwohl hunderttausende Menschen – die Gewerkschaft CGT spricht bei den Protesten vom vergangenen Wochenende von über einer Million Teilnehmer*innen im ganzen Land – seit einiger Zeit regelmäßig auf die Straße gehen, hat die umstrittene Reform eine erste große Hürde genommen: Der Senat (das Oberhaus des französischen Zweikammernparlaments) hat den Plänen zur Rentenreform zugestimmt. In den kommenden Tagen könnte das Vorhaben damit endgültig verabschiedet werden.

Die Reform sieht eine schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre vor. Im Zuge der Reform soll auch die Mindestbeitragsdauer für eine abschlagsfreie Rente von 41,5 auf 43 Jahre verlängert werden. Denn trotz offiziellem Renteneintrittsalter mit 62 Jahren arbeiten schon jetzt viele Menschen in Frankreich deutlich länger. Die Mindestbeitragsdauer ist entscheidend, erst wenn diese erreicht ist, kann der Ruhestand ohne Abschläge angetreten werden. Erst mit 67 Jahren ist nach geltendem Recht unabhängig von der Einzahldauer ein Renteneintritt ohne Abzüge möglich – das soll beibehalten werden.

Über die Rentenreform ist nicht in erster Lesung in der Nationalversammlung (dem Unterhaus des Zweikammernparlaments) abgestimmt worden, da es ein beschleunigtes Verfahren im Parlament gegeben hat. So wurde der Entwurf direkt an den Senat weitergegeben, der mit 195 zu 112 Senator*innen bei 37 Enthaltungen für das Vorhaben votiert hat. Auch wenn das Gesetz noch durch die Nationalversammlung bestätigt werden muss, gilt die Senatszustimmung als erster Erfolg für die Regierung von Emmanuel Macron im Hinblick auf die Durchsetzung der Rentenpläne. Am Mittwoch soll eine Kommission zusammengesetzt werden, um einen Kompromiss zwischen Senat und Nationalversammlung zu finden. Endgültig verabschiedet werden könnte die Rentenreform dann am Donnerstag.

Gewerkschafter*innen hierzulande fürchten, die Pläne der französischen Regierung könnten auch in Deutschland zum Vorbild werden. „Die Pläne der Regierung von Emmanuel Macron sind bedrohlich für die Menschen in Frankreich und dürfen nicht zu einem weiteren schlechten Beispiel für die Lösung angeblicher Probleme mit den Altersrenten in anderen Ländern, vor allem aber auch in Deutschland werden“, wird der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke im Januar in einer Pressemitteilung der Dienstleistungsgewerkschaft zitiert.

Tatsächlich werden auch in Deutschland Stimmen lauter, die eine Anhebung des Rentenalters bevorzugen. Meist wird dabei auf dem demografischen Wandel verwiesen – als Lösung blieben entweder Rentenkürzungen oder Beitragserhöhungen. So konnte man in der aktuellen Ausgabe der "ZEIT" (Ausgabe Nr. 11 vom 9. März 2023) in zwei Leitartikeln zum Thema Ruhestand lesen, dass „entweder die Jungen mehr an die Alten abgeben oder die Alten mit weniger auskommen“ müssten. Von einer „Armee der Alten“ ist dort die Rede, die „essen, trinken, verreisen, oder in Theater gehen wollen.“ Es sei Zeit für eine „Reberuflichung der Rente“ und das festgeschriebene Renteneintrittsalter in Deutschland wird unter anderem als „eine gewaltige volkswirtschaftliche Verschwendung“ betrachtet.

In diesen Rentendebatten wird aber kaum noch über Umverteilung oder Steuergerechtigkeit diskutiert. „Wer die Diskussion um die Anpassung der Altersrenten auf rein demografische Fragen verengt, untergräbt das Umlagesystem, stellt die Sicherheit der Renten in Frage und weicht der überfälligen Verteilungsdebatte aus“, so der ver.di-Vorsitzende weiter, der mahnt, „endlich auch die starken Schultern“ einen angemessenen Beitrag leisten zu lassen.

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„Verzockt meine Rente nicht“ titelt die Gewerkschaft ver.di in der aktuellen Ausgabe ihrer Zeitung „publik“. Die Kritik zielt ab auf die Pläne der Bundesregierung zur Einführung einer Aktienrente – im Finanzministerium spricht man inzwischen vom „Generationenkapital“. Könnte die Rente nun wirklich „verzockt“ werden? Was bedeuten die Pläne der Regierung für die Altersvorsorge, was ist dran an der Kritik?

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Wir haben schon einmal über die Aktienrente berichtet. Damals, im Herbst 2021, liefen gerade die Koalitionsverhandlungen der Ampelregierung. Die Einführung eines Aktienanteils in der Altersvorsorge war bereits im Sondierungspapier der drei Parteien vereinbart worden und hat es dann – wenig überraschend – auch in den finalen Koalitionsvertrag geschafft.

Darin heißt es zunächst, dass es keine Rentenkürzungen und keine Anhebung des Renteneintrittsalters geben soll. Ergänzt wird dann: „Um diese Zusage generationengerecht abzusichern, werden wir zur langfristigen Stabilisierung von Rentenniveau und Rentenbeitragssatz in eine teilweise Kapitaldeckung der gesetzlichen Rentenversicherung einsteigen.“

Demografie als Herausforderung

„Generationengerecht“ ist dabei das zentrale Stichwort der Befürworter*innen dieses Ansatzes. Sie weisen auf den demografischen Wandel hin: Auf immer mehr Rentnerinnen und Rentner kommen immer weniger Beitragszahler*innen. Verschärft wird die Tendenz durch den Renteneintritt der sogenannten „Babyboomer“-Generation ab 2025. Gemeint sind die geburtenstarken Jahrgänge der 60er-Jahre, die in den kommenden Jahren in den Ruhestand eintreten werden.

Der Grund, warum das für das Rentensystem zur Herausforderung werden könnte, liegt in der Umlagefinanzierung der gesetzlichen Altersvorsorge. Die Beiträge, die während des Berufslebens in die Rentenversicherung eingezahlt werden, werden nicht für die eigene Rente im Alter zurückgelegt, sondern direkt auf die ältere Generation „umgelegt“, d. h. als Rente ausbezahlt. Im Ergebnis könnte das bedeuten, dass die Beiträge, die Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen in die Rentenversicherung abführen, in Zukunft immer weiter steigen müssten.

Ergänzung der umlagefinanzierten Rente

Daher soll die gesetzliche Rente nach Plänen der Bundesregierung um einen Kapitalanteil erweitert werden. In kreativer Marketing-Sprache nennt Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) das Vorhaben nun „Generationenkapital“. Das soll allerdings nicht nur gut klingen, es deutet auch an, worum es gehen soll: Vorgesehen ist nämlich nicht (mehr), die Rentenansprüche zu erhöhen. Vielmehr sollen die Beitragssätze weitgehend stabil gehalten werden. Konkret geplant ist, zehn Milliarden Euro pro Jahr in einen neu zu schaffenden Fonds zu investieren.

Zur Verwaltung des Geldes wird eine öffentlich-rechtliche „Stiftung Generationenkapital“ geschaffen, die Erträge aus der Anlage sollen durch eine rechtlich verankerte Zweckbindung der gesetzlichen Rentenversicherung zugutekommen. Aufgebaut werden soll der Fonds aus Haushaltsmitteln. Eine Verwendung der Beitragsgelder hätte ein Loch in der Rentenversicherung zur Folge, dass dann ohnehin wieder durch Haushaltsmittel hätte gedeckt werden müssen.

Das Geld aus dem Fonds soll dann am Kapitalmarkt angelegt werden und die erwarteten Erträge schon ab Mitte der 2030er  der Rentenversicherung zugutekommen. „Das Generationenkapital nutzt die Renditepotenziale der internationalen Kapitalmärkte, damit die Rentenbeiträge in Zukunft weniger stark steigen – einige europäische Länder praktizieren eine Kapitaldeckung der Rente bereits seit Jahrzehnten erfolgreich“, schreibt das Bundesfinanzministerium Mitte Januar seiner Internetseite.

Als Vorbild wird immer wieder Schweden genannt, wo die gesetzliche Rente seit der Jahrtausendwende durch Fonds ergänzt wird. Mit diesem Modell, an dem sich insbesondere die Liberalen stets orientiert hatten, hat der aktuelle Vorschlag allerdings nicht mehr viel gemeinsam. Zwar gibt es dort auch einen Staatsfonds („AP7“), es werden jedoch 2,5 Prozent des Bruttolohns in diesen oder andere, selbst gewählte und teilweise riskantere, Fonds abgeführt. Eine solche Variante schwebte in der Vergangenheit auch den Liberalen vor.

Wird die Rente jetzt „verzockt“?

Das wäre wohl etwas zu einfach. Zwar unterliegen Kapitalmärkte Kursschwankungen, allerdings können kurzfristige Schwankungen durch Investitionen über einen langen Zeitraum meist ausgeglichen werden. Richtig ist aber auch: Eine Rendite-Garantie gibt es nicht und auch Verluste sind möglich. Für solche Fälle sehen die Pläne der Bundesregierung jedoch vor, dass das Risiko für eventuelle Verluste durch den Bund getragen werde.

Ein weiterer Kritikpunkt liegt in der Summe, die langfristig in so einem Fonds angelegt werden müsste. Geplant ist perspektivisch ein dreistelliger Milliardenbetrag. Laut ver.di wäre dieser auch nötig, da allein die Verhinderung des Anstiegs des Rentenbeitrags um einen Prozentpunkt einen Gewinn von 17 Milliarden aus der Anlage voraussetzen würde. Bei einer optimistischen Rendite von jährlich acht Prozent bräuchte es für dieses eine Prozent damit 212,5 Milliarden Euro.

Gäbe es Alternativen?

Eine Alternative zu steigenden Beitragssätzen zur Finanzierung des erhöhten Rentenaufkommens könnte sein, das umlagefinanzierte System direkt durch höhere Haushaltsmittel zu stützen. Zwar gebe es dann keine Erwartung von Renditen, gleiches würde jedoch auch für Verlustrisiken gelten. Daneben fordert zum Beispiel der Sozialverband VdK statt der Ampelpläne weiterhin eine „Erwerbstätigenversicherung“, in die alle einzahlen sollen. Also auch Selbstständige, Politiker*innen und Beamt*innen. Das stärke nicht nur die finanzielle Grundlage der Rentenversicherung, es schaffe auch mehr Gerechtigkeit.

Um der Altersarmut entgegenzuwirken schlägt ver.di in dem eingangs erwähnten Leitartikel zusätzlich vor, auch eine andere Säule der Altersvorsorge in den Blick zu nehmen und zu stärken: Die betriebliche Altersvorsorge. „Insbesondere für Frauen, die häufig in kleineren Betrieben arbeiten, und für Beschäftigte im Niedriglohn würde eine Betriebsrente einen echten Beitrag gegen Altersarmut leisten – finanziert mit einem wesentlichen Beitrag der Arbeitgeber, die aufgrund des Fachkräftemangels häufig bereit sind, die Beiträge zur Betriebsrente zu finanzieren“, argumentiert die Dienstleistungsgewerkschaft. Gegenwärtig hätten nur 56 Prozent der Beschäftigten Anspruch auf eine Betriebsrente. „Gemeinsam mit Mindestsicherungselementen wäre dann nach einem langen Arbeitsleben ein ausreichend finanzierter Ruhestand möglich.“

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Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) soll vor Diskriminierung schützen und wird umgangssprachlich daher häufig auch Antidiskriminierungsgesetz genannt. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung wird eine Reform des Gesetzes in Aussicht gestellt. Zahlreiche Verbände bemängeln nun, dass noch kein Entwurf dazu vorliegt. „AGG-Reform-Jetzt!“ nennt sich ein Bündnis von 100 Organisationen. Doch worum geht es eigentlich bei den Reformvorstellungen?

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Das AGG ist 2006 in Kraft getreten und löste damit seinerzeit das Beschäftigtenschutzgesetz ab. In § 1 AGG wird das Ziel des Gesetzes formuliert. Verhindert oder beseitigt werden sollen demnach „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität“.

Evaluation

„Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) werden wir evaluieren, Schutzlücken schließen, den Rechtsschutz verbessern und den Anwendungsbereich ausweiten“, haben sich SPD, Grüne und FDP im Koalitionsvertrag auf die Fahnen geschrieben. Bislang liegen dazu jedoch noch keine Eckpunkte vor. Erwähnt werden sollte auch, dass das Gesetz schon 2016 – zum zehnjährigen Jubiläum – einer ausführlichen Evaluation unterzogen wurde.

Auf über 200 Seiten werden darin Empfehlungen gemacht, die auch heute noch aktuell sind und von zivilgesellschaftlichen Akteuren weiterhin gefordert werden. So hat sich das aus 100 Organisationen bestehende Bündnis „AGG-Reform-Jetzt!“ gebildet, das kürzlich die gemeinsame Stellungnahme „Mehr Fortschritt wagen heißt auch mehr Antidiskriminierung wagen!“ vorgelegt hat. Damit wird auf den Koalitionsvertrag der Ampelkoalition angespielt, den SPD, Grüne und FDP „Mehr Fortschritt wagen“ genannt hatten.

Was sind zentrale Kritikpunkte am heutigen AGG?

Ein zentraler Kritikpunkt ist die schwierige Rechtsdurchsetzung. Wer beispielsweise wegen seines Alters mehr für eine Reiseversicherung zahlen muss oder wer allein aufgrund seines Namens eine Stelle nicht bekommt, wird auch nach heutigem AGG diskriminiert. Allerdings sind die Hürden, diesen Anspruch auf Nicht-Benachteiligung auch durchzusetzen, sehr hoch. So beträgt zum Beispiel die Frist zur Geltendmachung gerade einmal zwei Monate. Sich in dieser Frist möglicherweise zunächst rechtlich beraten zu lassen und den Rechtsanspruch durchzusetzen ist kaum möglich. Viele scheuen auch die mit einem oft langwierigen Verfahren einhergehenden finanziellen und emotionalen Belastungen. „Diskriminierung wird daher in den meisten individuell erlebten Fällen nicht sanktioniert“, stellen die Organisationen in ihrer Stellungnahme fest und fordern einen kollektiven Rechtsschutz. Das hieße, dass nicht nur Einzelpersonen, sondern auch Verbände klagen könnten.

Zudem bemängeln die 100 unterzeichnenden Akteur*innen, dass das Gesetz nur für Beschäftigung, Güter und Dienstleistungen gelte, nicht aber für den Staat gegenüber seiner Bürger*innen. „Diskriminierungen im Bereich der Ämter und Behörden werden von Betroffenen als besonders gravierend empfunden, da sie im Namen des Staates erfolgen und in einem Kontext stattfinden, der von einem hohen Machtgefälle und Abhängigkeitsverhältnis geprägt ist“, argumentiert das Bündnis. Deshalb sei es nicht nachvollziehbar, warum ein schwächerer Diskriminierungsschutz besteht, wenn es sich um staatliche Diskriminierung handele.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass einige Diskriminierungskategorien fehlen. Das Bündnis plädiert zum Beispiel dafür, den sozialen Status ins AGG aufzunehmen. Das würde Stigmatisierungen aufgrund von Geringverdienenden, Wohnungslosen oder Alleinerziehenden ausdrücklich als Diskriminierungskategorie aufnehmen und davor schützen. Auch „Chronische Krankheit“ solle nach Auffassung der Organisationen als Diskriminierungsgrund im AGG aufgeführt werden.

Zudem wird angeraten, die Kategorie „Alter“ in „Lebensalter“ umzuformulieren, da sonst der Eindruck entstehen könne, es gehe allein um ältere Menschen. Doch auch junge Menschen können aufgrund ihres Lebensalters Diskriminierung erfahren. Diesen Aspekt hatte auch die Evaluation von 2016 bereits empfohlen.

Wie geht es weiter?

Ob und wann die Bundesregierung eine Novellierung des Gesetzes in Angriff nimmt, bleibt abzuwarten. Die Organisationen, die die Stellungnahme unterzeichnet haben, kündigen jedenfalls an, die Reform kritisch zu begleiten und zu unterstützen. Mit ihren Empfehlungen stellen sie ihre Erfahrung und Expertise zur Verfügung, formulieren aber auch eine klare Erwartung: „Betroffene von Diskriminierung erwarten, dass Diskriminierung anerkannt wird, dass sie Rechte haben, um gegen Diskriminierung vorzugehen und dass diese Rechte auch durchsetzbar sind und nicht nur auf dem Papier stehen.“

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Sie soll an die Idee der Gemeindeschwester anknüpfen und Einsamkeit entgegenwirken: Die „Vor-Ort-für-dich-Kraft“. In einem entsprechenden Antrag fordert die schleswig-holsteinische SPD-Fraktion 100 hauptamtliche Stellen.

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Am 27. Januar 2023 hat sich der schleswig-holsteinische Landtag mit dem Antrag befasst, den die SPD Mitte des Monats vorgelegt hatte. Darin fordern die Sozialdemokrat*innen die Landesregierung auf, 100 hauptamtliche „Vor-Ort-für-dich-Kräfte“ einzusetzen, die vollständig aus Landesmitteln gefördert werden sollen. Kommunen sollen sich mit einem Konzept für die Förderung einer oder mehrerer dieser Stellen bewerben können.

Der Vorschlag erinnert stark an die Idee der Gemeindeschwester, über die wir auch auf diesem Portal schon einige Male berichtet haben (z. B. hier).

In ihrem Antrag beruft sich die SPD-Landtagsfraktion auch auf dieses Modell, ihr Vorschlag knüpfe daran an. „Die Vor-Ort-für-dich-Kraft schließt die Angebotslücke zwischen gesundheitlicher, pflegerischer und sozialer Unterstützung. Sie ist im Dorf oder Quartier präsent und macht aufsuchende Sozialarbeit“, heißt es im Antrag.

Der Antrag benennt dabei auch die Gruppe der Senior*innen. Sie sei in besonderem Maße von Einsamkeit betroffen. Verwiesen wird in der Antragsbegründung auf eine Forsa-Umfrage, nach der sich jede fünfte Seniorin und jeder fünfte Senior ab 75 Jahren einsam fühle. Die „Vor-Ort-für-dich-Kraft“ könnte im Ort bekannt sein und niedrigschwellige Hilfe leisten oder an geeignete Unterstützungsangebote verweisen. „Ein solcher auf Prävention ausgerichtet Ansatz kann viel dazu beitragen, dass rechtzeitig Hilfsbedarfe erkannt werden, so dass langfristig auch Kosten eingespart werden können.“

Der SSW unterstützt den Vorschlag grundsätzlich, weist aber auf ungeklärte Fragen hin. So ergebe sich aus dem Antrag nicht, ob es sich um Vollzeitstellen handeln solle. Unverständlich sei auch, warum sich eine Kommune für mehrere dieser 100 Stellen bewerben könne, bedenkt man, dass es in Schleswig-Holstein über 1100 Gemeinden gebe. In seiner Rede fasst Christian Dirschauer (SSW) zusammen: „Und deshalb muss ich in aller Deutlichkeit sagen, dass das, was die SPD hier beantragt, nur ein Anfang sein kann.“

Die Koalitionsfraktionen von CDU und Grünen haben – wie es in solchen Fällen zwischen Regierung und Opposition üblich ist ­– einen Alternativantrag vorgelegt. Der Antrag geht in eine ähnliche Richtung und spricht sich ebenfalls für die Stärkung von Ansprechpersonen vor Ort aus. „Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gilt für alle Menschen, auch für Seniorinnen und Senioren, Menschen mit Pflegebedarf und anderen Einschränkungen“, so der Alternativantrag. „Daher brauchen wir mehr Ansprechpartnerinnen und -partner in sozialen Angelegenheiten vor Ort und bei Verbänden, z. B. zu Themen wie Pflege oder soziale Teilhabe“.

Im Gegensatz zum SPD-Antrag enthält die Vorlage der Regierungsfraktionen allerdings keine konkrete Stellenanzahl, sondern ist eher allgemein gehalten. Der CDU-Abgeordnete Werner Kalinka spricht sich in seiner Rede allerdings dafür aus, dass nicht allein das Land die Stellen schaffen solle: „Mir scheint es aber naheliegend zu sein, auch eine Tätigkeit bei Verbänden ins Auge zu fassen“, so Kalinka in der Plenardebatte. „Über mögliche Felder der Tätigkeiten, Chancen der Finanzierung und der Umsetzung sollten wir im Sozialausschuss des Landtages das Gespräch führen und beraten. Eine Anhörung dort wäre angezeigt.“

Beide Anträge wurden einstimmig zur weiteren Beratung an den Sozialausschuss überwiesen.

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Der schleswig-holsteinische Landtag beschäftigt sich derzeit mit Anträgen zum Landesblindengeld und zur Einführung eines Gehörlosengeldes. Nun hat auch der Landesseniorenrat Schleswig-Holstein zu den Forderungen Stellung genommen.

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Er ist die größte Interessenvertretung der Menschen über 60 Jahren im nördlichsten Bundesland: Der Landesseniorenrat Schleswig-Holstein e.V. (im Folgenden: LSR). Er vertritt 143 kommunale Mitgliedseinrichtungen und ca. 780.000 Senior*innen und hat sich nun zu den Forderungen einer Anhebung des Landesblindengeldes und zur Einführung eines Gehörlosengeldes geäußert. Die schriftliche Stellungnahme ist noch Ende November dem Sozialausschuss vorgelegt worden und bezieht sich unter anderem auf einen Antrag der Fraktion des Südschleswigschen Wählerverbands (SSW) vom 16. September 2022. Darin fordert die Fraktion, das Landesblindengeld anzuheben und ein Gehörlosengeld einzuführen.

„Ziel unseres Antrags (…) ist, dass taube, sehbehinderte und eben auch gehörlose Menschen stärker am gesellschaftlichen Leben teilhaben können, denn wie viele andere Menschen mit Behinderung stoßen auch sie noch viel zu oft an Grenzen“, begründet Christian Dirschauer vom SSW zunächst den Antrag seiner Fraktion im Landtag. Zu den Forderungen ergänzt er in der Aussprache am 28. September 2022: „Beide Forderungen sind weder unrealistisch noch utopisch, denn sie können direkt auf Landesebene auf den Weg gebracht werden, und beide Forderungen sind in anderen Bundesländern längst Realität.“ Der LSR begrüßt die Vorschläge in der Stellungnahme.

Das Blindengeld wird von den Ländern festgelegt und gewährt. Es ist entsprechend unterschiedlich gestaltet. Während das Blindengeld in Schleswig-Holstein für die meisten Empfänger*innen bei 300 Euro liegt, bekommen blinde Menschen in Bayern in der Regel 685 Euro – weit mehr als das Doppelte. Schleswig-Holstein liegt mit der Höhe im bundesweitern Vergleich im unteren Drittel. Der SSW kritisiert nicht nur die verschiedenen Lebensbedingungen je nach Land und die unterdurchschnittliche Leistungshöhe in Schleswig-Holstein, sondern mahnt auch angesichts allgemeiner Preissteigerungen eine Anpassung an. Eine konkrete Höhe nennt der Antrag nicht, der LSR rät an, dass sich das Landesblindengeld künftig an der Regelbedarfsstufe 1 orientieren solle und jährlich entsprechend angepasst werden müsse. „Das Landesblindengeld, das seit 2013 in der Höhe unverändert gezahlt wird, ist ein wesentlicher monetärer Bestandteil für die blinden und taubblinden Menschen zur Verbesserung der Lebensqualität“, heißt es in der Stellungnahme.

Auch die Forderung nach Einführung eines Gehörlosengeldes trifft auf Zustimmung des LSR. Dazu schreibt die Interessenvertretung: „Hier sollte die Möglichkeit geschaffen werden, dass der behinderte gehörlose Mensch Hilfsmittel (Hörgeräte) erhält, die in Form und Größe, individuell auf den Behinderten zugeschnitten sind, ohne dass die dadurch entstehenden Mehrkosten der behinderte Mensch selbst tragen muss.“

Kritik übt der LSR an den Anrechnungsregeln im Landesblindengesetz. Bislang werden Leistungen der Pflegeversicherung auf das Blindengeld selbst dann angerechnet, wenn die pflegerischen Aufwendungen gar nicht im Zusammenhang zur Blindheit oder Taubblindheit stehen. „Eine generelle Anrechnung bei Inanspruchnahme der häuslichen Pflege oder der stationären Einrichtung ist nicht nachvollziehbar, da die Geldleistung der Mensch als Nachteilsausgleich für seine Behinderung erhält; pflegebedingte Aufwendungen sind keine Behinderungsmerkmale im Sinne des SGB IX und SGB XI“, erläutert der LSR-Vorsitzende Peter Schildwächter.

In einem Alternativantrag hatten die Regierungsfraktionen gefordert, dass die Landesregierung eine Erhöhung der Leistung prüfen und sich darüber hinaus auf Bundesebene für ein Sehbehindertengeld einsetzen solle. Beide Anträge wurden einstimmig in den Sozialausschuss überwiesen. Die Ausschusssitzung vom 6. Oktober 2022 hat daraufhin die schriftliche Anhörung beschlossen.

Downloads und weiterführende Links:

Auf der Internetseite des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) finden Sie weitere Informationen zum Blindengeld, unter anderem eine interaktive Deutschlandkarte zu den jeweiligen Besonderheiten in den Ländern.

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In Berlin gibt es seit September drei neue Bänke, die „Plauderbänke“ genannt werden. Sie sind so gebaut, dass sie auch für mobilitätseingeschränkte Menschen gut nutzbar sind, eine natürliche Kontaktaufnahme erleichtern und „ältere Menschen im Stadtbild sichtbar machen“ sollen. Die Plauderbänke sind ein Projekt des Vereins Silbernetz e.V., den wir zuletzt auch in unserer Reihe „Beispielsweise…“ vorgestellt haben. Zu der Idee dieser Bänke haben wir bei Silbernetz-Initiatorin Elke Schilling nachgefragt.

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Das Interview führte Torben Böhm vom DISW:


Frau Schilling, können Sie zunächst einmal beschreiben, was es mit den „Plauderbänken für Senior*innen“ auf sich hat? Was ist das und worum geht es Ihnen dabei?

„Wir haben im September das vierjährige Silbertelefon-Jubiläum gefeiert und zu diesem Anlass drei Plauderbänke in Berlin-Wedding aufgestellt. Damit wollen wir ältere Menschen im Stadtbild sichtbar machen und ihnen die Möglichkeit geben, sich nicht nur hinzusetzen, sondern auch wieder aufzustehen. Daher haben wir spezielle Seniorenbänke ausgewählt, die insgesamt höher sind und durch besondere Armlehnen und Fußstützen auch für mobilitätseingeschränkte Menschen gut nutzbar sind.“

Gibt es Vorbilder für solche Bänke bereits in anderen Städten?

„Plauderbänke für Senior*innen gibt es bereits seit mehreren Jahren an vielen Orten in Deutschland und im Ausland. Sie werden auch ‚gesellige Bank‘ oder regional ‚Schwätzbänkle‘, ‚Schnackbank‘ oder ‚Ratschbankerl‘ genannt.“

Sie haben die baulichen Besonderheiten der Bänke angesprochen. Gibt es weitere besondere Merkmale einer „Plauderbank“, die diese von gewöhnlichen Parkbänken unterscheiden?

„Es gibt Plauderbänke, die durch Schilder deutlich als solche zu erkennen sind. Unser Ansatz ist indirekt: Es gibt zwar auch ein kleines Schild, wir denken aber, es ist zielführender, eine für ältere Menschen attraktive Bank aufzustellen und dann der natürlichen Kontaktaufnahme mit freundlichen Nachbar*innen, kleinen Kindern und sympathischen Hunden freien Lauf zu lassen. Leider haben wir auch Kritik erhalten, dass durch die Armlehnen eine feindliche Architektur entsteht, die obdachlose Menschen ausschließt. Hierfür bräuchte es eine innovative Lösung für eine Bank, die wirklich alle anspricht.“

Drei solcher Bänke wurden im September übergeben. Gibt es abgesehen von den Hinweisen, die Sie in Bezug auf obdachlose Menschen erhalten haben, rund einen Monat nach dem Start schon weitere Rückmeldungen? Und planen Sie, nach einer gewissen Zeit Bilanz zu ziehen?

„Die Plauderbänke werden mit großem Echo aufgenommen. Wir haben Anfragen aus ganz Deutschland erhalten, von Menschen, die ebenfalls solche Bänke initiieren möchten. Es freut uns sehr, dass wir einen Impuls geben konnten, die Idee weiter zu verbreiten. Für eine systematische Evaluation fehlen uns leider die Mittel. Eine der Bänke sehen wir aus unserem Bürofenster und es ist wirklich ein Vergnügen zuzuschauen: Wir sehen einen positiven Effekt auf alle Altersgruppen. Wir sehen Ältere beim Ausruhen mit Einkäufen, junge Menschen mit Kaffee und turnende Schulkinder.“

Könnte es neben den positiven Effekten nicht auch das Problem geben, dass ältere Menschen sich als einsam stigmatisiert sehen könnten, wenn sie sich auf Bänken niederlassen, die sichtbar als „Plauderbank“ ausgewiesen sind?

„Unbedingt. Einsamkeit ist leider noch sehr schambehaftet in Deutschland, deshalb haben wir die Beschilderung sehr klein gemacht. Wir brauchen eine kontinuierliche öffentliche Sensibilisierung für das Thema Einsamkeit, um es aus der Tabu-Zone zu holen. Hier steht Deutschland im Vergleich zu Großbritannien, Australien, Holland und Frankreich noch ziemlich am Anfang.“

Sie sprachen von einem großen Echo zu den Plauderbänken und von Ihrer Freude, einen Impuls geben zu können. Als Portal für Senior*innenpolitik versuchen wir immer wieder, Beispiele guter Praxis zu zeigen, auch, um anderen Organisationen und gesellschaftlich Engagierten Inspirationen geben zu können. Was braucht es denn für die Umsetzung eines solchen Projektes, zum Beispiel auch in finanzieller Hinsicht? Und welche Schritte sind nötig?

„Wir möchten allen Mut machen, sich für eine Plauderbank einzusetzen. Es lohnt sich! Zunächst muss man einen guten Standort finden und dann mit der Kommune in Kontakt treten. Das läuft überall anders. Wir hatten großes Glück, dass wir mit dem Stadtbezirk Berlin-Mitte einen sehr kooperativen Partner gefunden haben, der uns das Genehmigungsverfahren und die Aufstellung der Bänke abgenommen hat. Dann braucht man die Mittel für die Bank, rund 1.100 Euro für eine solche Seniorenbank – reine Materialkosten, ohne Aufbau etc. Hierfür konnten wir die Stiftung Berliner Sparkasse gewinnen.“

Als Verein tun Sie viel, um der Einsamkeit im Alter entgegenzuwirken. Insbesondere Ihr Silbertelefon ist hier zu nennen. Auch andere Vereine und Personen engagieren sich gegen Einsamkeit. Was könnte denn die Politik noch tun, um die Alterseinsamkeit anzugehen? Wünschen Sie sich manchmal zum Beispiel mehr Unterstützung, möglicherweise in finanzieller Hinsicht?

„Natürlich wünschen wir uns eine nachhaltige Finanzierung, die eine langfristige Planung ermöglicht und viele Spenden. Außerdem brauchen wir die oben erwähnte öffentliche Sensibilisierung für das Thema Einsamkeit. Eine bundesweite Kampagne zur Entstigmatisierung von Einsamkeit in allen Altersstufen wäre hierfür der erste Schritt.“

Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für unsere Fragen genommen haben.


Hintergrund:

Elke Schilling ist Gründerin von Silbernetz e.V. Der Verein bietet bundesweit Hilfe für ältere Menschen mit Einsamkeitsgefühlen. Mit einem dreistufigen Angebot zum „einfach mal Reden“ öffnet der gemeinnützige Verein den Betroffenen Türen aus der Isolation: anonym, vertraulich und kostenfrei.

  • Am Silbertelefon finden Menschen ab 60 Jahren täglich von 8-22 Uhr unter 0800 4 70 80 90 ein offenes Ohr. Ein konkretes Problem oder eine Krise ist nicht erforderlich.
  • Wenn sich Anrufende einen tiefergehenden telefonischen Kontakt zu einer Person wünschen, bietet sich eine Silbernetz-Freundschaft an: Hierfür werden interessierte Senior*innen mit Ehrenamtlichen vernetzt, die dann einmal pro Woche für ein persönliches Telefongespräch anrufen.
  • Manchmal ergibt sich, dass die Anrufenden mehr Hilfe benötigen oder offen sind für andere Angebote, um mit Menschen in Kontakt zu treten. Hierfür nutzen die Silbernetz-Mitarbeitenden die „Silberinfo“: Sie recherchieren deutschlandweit Informationen zu Basisangeboten der Altenhilfe in Ländern und Kommunen und geben die Kontaktdaten an die Anrufenden weiter.

E-Mail: kontakt@silbernetz.de

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Seit dem 1. Oktober 2022 gilt für Bewohnerinnen und Bewohner die Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske in den Gemeinschaftsbereichen der Pflegeheime. Verbände sehen darin einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte und Lebensqualität der Betroffenen und fordern eine Aufhebung.

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„Nach fast drei Jahren Pandemie sollen in den Pflegeheimen wieder Maßnahmen greifen, die die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohnern massiv beschneiden. Dabei hatte die Politik versprochen, dass eine soziale Isolation in Pflegeeinrichtungen nie wieder vorkommen darf“, lässt sich Dr. Regina Görner, Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) in einer Pressemeldung zitieren. Hintergrund der Kritik ist die im Bundestag beschlossene Neuregelung des Infektionsschutzgesetzes, die unter anderem die Maskenpflicht in Pflegeheimen vorsieht. Zwar kann die Maske im eigenen Zimmer abgenommen werden, in allen öffentlichen und gemeinschaftlichen Bereichen der Einrichtungen, bei Wegen zu gemeinsamen Mahlzeiten oder bei der Teilnahme an Freizeitangeboten muss seit diesem Monat wieder zwangsläufig eine Maske getragen werden.

Die BAGSO sieht darin einen unverhältnismäßigen Grundrechtseingriff. Die Regelungen würden zu einem hohen Isolationsrisiko führen und Bedürfnisse von Bewohner*innen nach sozialen Kontakten und nach Nähe und Berührung verkennen. „Insbesondere Menschen mit Demenz, die mehr als die Hälfte der Heimbewohnerinnen und -bewohner ausmachen, trifft das Tragen einer Maske schwer, da sie auf die Mimik des Gegenübers angewiesen sind, um Kontakt aufzunehmen.“ Solche drastischen Eingriffe seien vor dem Hintergrund einer hohen Impfquote – die Bewohner*innen in Pflegeheimen sind in der Regel vierfach geimpft ­– regelmäßigen Testungen und besseren medizinischen Versorgungsmöglichkeiten nicht nachvollziehbar.

Senior*innen- und Pflegeverbände weisen darauf hin, dass es sich bei Pflegeheimen um das Zuhause der Bewohner*innen handelt. So argumentiert Dr. Manfred Stegger vom BIVA-Pflegeschutzbund: „Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner wohnen dauerhaft in den Einrichtungen. Es ist ihr zuhause. Sie sind anders zu behandeln als Patienten im Krankenhaus, die sich nur für eine begrenzte Zeit dort aufhalten“. Er ergänzt an anderer Stelle in der Pressemitteilung: „Es ist etwas anderes, ob man in geschwächtem Zustand eine begrenzte Zeit im Krankenhaus oder ob man im Pflegeheim sein gesamtes Lebensende verbringt“. Auch die BAGSO-Vorsitzende appelliert an die Politik: „Heben Sie die Maskenpflicht für die Bewohnerinnen und Bewohner auf. Keiner anderen Bevölkerungsgruppe wird zugemutet, trotz vier Impfungen im eigenen Zuhause eine Maske zu tragen.“

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100 ältere Menschen, 100 Junge, 100 Geflüchtete – so soll es einmal aussehen, das Dorf im Wendland, in dem man solidarisch und ökologisch zusammenleben will. Die ZEIT vom 15. September 2022 berichtet über den Traum vom „Dorf der Zukunft“ und die alltäglichen Herausforderungen.

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„Sie wollen das Dorf der Zukunft bauen“, heißt es in dem ZEIT-Artikel über die Bewohner*innen von Hitzacker Dorf, die die 14 Häuser geplant und errichtet haben. „Ein Dorf, in dem Junge und Alte zusammenleben, einander helfen und unterstützen. In dem jeder und jede wohnen kann, egal ob arm oder reich.“ Das Dorf will auch für andere Kulturen offen sein und neben Alten und Jungen auch zu etwa gleichen Teilen Geflüchtete aufnehmen. Derzeit leben dort insgesamt 66 Erwachsene, 9 Jugendliche und 16 Kinder. Die Idee für das Projekt war 2015 entstanden, auch vor dem Hintergrund der vielen Menschen, die zu jener Zeit aus Syrien nach Deutschland gekommen waren.

Das Zusammenleben in Hitzacker Dorf soll solidarisch, ökologisch und bunt sein. Die Häuser im autofreien Dorf sind zementfrei gebaut, geheizt wird mit einer Biogasanlage, gegessen wird überwiegend vegetarisch – wenn Fleisch, dann bio ­– und nachts werden die Wege nicht beleuchtet, wegen der Insekten. Man will hier einiges anders machen.

Vorgestellt wird in dem Beitrag unter anderem Folkert Knoops, der sich damals kurz vor der Rente entschied, in das Dorfprojekt zu ziehen. Seine Motive: „Er brauchte eine neue Aufgabe. Und: Er wollte nicht allein alt werden. Folkert hat keine Partnerin, sein Sohn ist längst erwachsen. Er wollte Gemeinschaft.“ Auch die 72-jährige Christel Wirringa hat sich dem Projekt angeschlossen. Ihr Haus in einem Dorf in Ostfriesland hatten sie und ihr Mann nach 40 Jahren verkauft, um nach Hitzacker Dorf zu ziehen.

Der 69-jährige Folkert Knoops ist gelernter Maler und Lackierer, hat aber auch Erfahrungen als Dachdecker und Gerüstbauer und bis zum Ruhestand einen Fahrradladen besessen. Er bringt also genau das mit, was es auf der Baustelle im Dorf, wofür jede*r einen Beitrag leisten soll, dringend braucht. Auch Christel Wirringa bringt sich mit ihren Fähigkeiten in der Gemeinschaft ein. Die ehemalige Schulleiterin hat Erfahrungen in der Arbeit mit Geflüchteten und führt durch ihre Kontakte immer wieder Familien in das Dorf, die nicht aus Deutschland stammen und auf der Suche nach einer neuen Heimat sind.

Das alles klingt wie eine gelebte Vision. So auch auf der Internetseite des Projekts: „Ein Traum? Nein, wir sind schon dabei, unser Dorf zu bauen. Und fangen an, unsere Vision zu leben.“ Der Beitrag in der ZEIT beleuchtet jedoch zudem den Alltag, den es trotz dieser Visionen eben auch noch gibt. Da viele im Dorf Kinder haben oder einen Job und dazu keine handwerkliche Ausbildung, hing viel von der Baustelle an Folkert, der das Dorf sogar verlassen hatte. Auch die ganzen Arbeitsgruppen und Beiräte nervten ihn. Er habe ein Vordach ein Jahr lang beantragen müssen. „Früher haben wir einfach gemacht.“ Auch Christel zweifele inzwischen an einigem: „Die Vision, mit so vielen Geflüchteten zu leben, war der Grund, warum ich hergezogen bin. Jetzt bin ich diejenige, die sagt: Wir schaffen das nicht mehr.“ Sie ist inzwischen aus der Interkulturellen Arbeitsgemeinschaft ausgetreten.

Einen bildlichen Eindruck vom Dorf bekommen Sie über den YouTube-Kanal des Projekts. Im Dezember 2021 berichtete auch der SPIEGEL über das „Dorf der Zukunft“.

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