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14. Dezember 2022

Verbände fordern ein Digitales Existenzminimum

Die Diakonie Deutschland, Menschen mit Armutserfahrung und der Evangelische Verband Kirche-Wirtschaft-Arbeitswelt (KWA) fordern digitale Teilhabemöglichkeiten für alle. Gemeinsam haben sie ein Positionspapier mit sechs Forderungen vorgelegt. Bei einem Fachgespräch am 22. November wurden die Aspekte eines digitalen Existenzminimums diskutiert.

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„Im 21. Jahrhundert kann das Existenzminimum nicht mehr nur als Grundversorgung mit Lebensmitteln, Kleidung und Wohnraum verstanden werden“, heißt es einleitend in dem gemeinsamen Positionspapier der Verbände. „Der Staat muss jedem Menschen in unserem Land auch ein Mindestmaß an Beteiligungs- und Entfaltungsmöglichkeiten garantieren. Dazu sind digitale Ressourcen unverzichtbar.“

Was sich die Verbände unter der Gewährleistung eines Digitalen Existenzminimums vorstellen, zeigen die sechs Forderungen, die wir Ihnen hier jeweils kurz zusammenfassen:

  1. „Endgeräte für alle!“: In der Grundsicherung müsse ein einmaliger Anschaffungsbedarf von mindestens 400 Euro für technische Ausstattung vorgesehen werden. Darüber hinaus brauche es mindestens 25 Euro im monatlichen Regelbedarf für eine Internetverbindung mit angemessener Datentaktung.
  2. „Kostenlose Internetcafés & WLAN im öffentlichen Raum!“: Digitales Existenzminimum sei auch eine Frage der öffentlichen Infrastruktur. Vielversprechend bewerten die Verbände beispielsweise den Ansatz mancher Jobcenter, kostenlose Internetcafés vorzuhalten.
  3. „In digitale Kompetenzen investieren!“: Gefragt sei eine Bildungspolitik, die digitales Knowhow von der Schule bis ins Seniorenheim vermittelt. Insbesondere ältere Menschen würden ihre Bedienkompetenz digitaler Geräte häufig als unzureichend bewerten.
  4. „Bürgerfreundliche digitale Behörden!“: Anträge bei Behörden sollen künftig auch einfach digital beantragt werden können. Digitalisierung solle dabei in erster Linie der Bürger*innenfreundlichkeit dienen und nicht als Sparprogramm verstanden werden.
  5. „Menschen mit Armutserfahrung digital empowern!“: Menschen mit Armutserfahrung sollten politisch stärker beteiligt werden. Digitales Empowerment könne sich auch dazu anbieten, Menschen stärker zu vernetzen und ihre Anliegen besser zu artikulieren.
  6. „Ein Recht auch auf analoges Leben!“: Abschließend betonen die Verbände, dass das digitale Leben nicht alles sei. Wer offline ist, dürfe nicht im abseits stehen.

Bei einem Online-Fachgespräch am 22. November 2022 wurden die Forderungen vorgestellt und weitere Aspekte diskutiert. Inhaltliche Inputs gab es von Dr. Friederike Mussgnug, Sozialrechtsexpertin der Diakonie, und Dr. Irene Becker, Volkswirtin und Gutachterin für die Bemessung des soziokulturellen Existenzminimums. Frau Mussgnug stellte Einzelheiten des Onlinezugangsgesetzes (OZG) dar, während Frau Becker über Möglichkeiten referierte, wie sich ein Digitales Existenzminimum im Rahmen des Bürgergeldes realisieren ließe. Einblicke aus Betroffenenperspektive brachte Jürgen Schneider vom Armutsnetzwerk e.V. ein. Die obenstehenden sechs Forderungen stellte Philipp Büttner vom KDA vor und erläuterte die Hintergründe. Zu Gast war zudem die Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner (Bündnis 90/Die Grünen) – sie ist Vorsitzende des Digitalausschusses im Deutschen Bundestag und berichtete unter anderem über den DigitalPakt Alter und die digitalen Erfahrungsorte, die in dem Zusammenhang bundesweit entstanden sind. Die ebenfalls angekündigte SPD-Abgeordnete Annika Klose musste aufgrund der zeitgleichen Bürgergeld-Einigung mit den Unionsparteien kurzfristig absagen.

In einer offenen Diskussion wurde die Frage aufgeworfen, ob die im Konzept der Verbände angedachten 400 Euro für eine digitale Ausstattung in der Grundsicherung überhaupt ausreichen würden. Auch die Idee, sämtliche Jobcenter mit einem frei verfügbaren WLAN auszustatten, ist mehrfach in Redebeiträgen aufgegriffen worden. Eine Teilnehmerin kritisierte mehrfach, dass Menschen im SGB XII-Bezug in der Debatte um ein digitales Existenzminimum zu kurz kämen. Während das Bürgergeld im SGB II normiert ist, betreffen die in der Höhe weitgehend gleichen Leistungen des SGB XII insbesondere die Sozialhilfe und die Grundsicherung im Alter. Das neue Bürgergeld war in der Tat Ausgangspunkt der Forderungen nach einem digitalen Existenzminimums, dass es ein solches aber ebenso in den Rechtskreisen braucht, die vor allem Ältere und nichterwerbsfähige Menschen berücksichtigt, rückt tatsächlich im Zuge der präsenten Bürgergeld-Reform in den Hintergrund. Die Abgeordnete Rößner erklärte, sie sei keine Sozialpolitikerin und ihrer Auffassung nach seien Personen im SGB XII-Leistungsbezug stets mitgemeint, kündigte aber an, die Kritik an die entsprechenden Fachleute ihrer Fraktion weiterzugeben.

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