Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) soll vor Diskriminierung schützen und wird umgangssprachlich daher häufig auch Antidiskriminierungsgesetz genannt. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung wird eine Reform des Gesetzes in Aussicht gestellt. Zahlreiche Verbände bemängeln nun, dass noch kein Entwurf dazu vorliegt. „AGG-Reform-Jetzt!“ nennt sich ein Bündnis von 100 Organisationen. Doch worum geht es eigentlich bei den Reformvorstellungen?
Das AGG ist 2006 in Kraft getreten und löste damit seinerzeit das Beschäftigtenschutzgesetz ab. In § 1 AGG wird das Ziel des Gesetzes formuliert. Verhindert oder beseitigt werden sollen demnach „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität“.
Evaluation
„Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) werden wir evaluieren, Schutzlücken schließen, den Rechtsschutz verbessern und den Anwendungsbereich ausweiten“, haben sich SPD, Grüne und FDP im Koalitionsvertrag auf die Fahnen geschrieben. Bislang liegen dazu jedoch noch keine Eckpunkte vor. Erwähnt werden sollte auch, dass das Gesetz schon 2016 – zum zehnjährigen Jubiläum – einer ausführlichen Evaluation unterzogen wurde.
Auf über 200 Seiten werden darin Empfehlungen gemacht, die auch heute noch aktuell sind und von zivilgesellschaftlichen Akteuren weiterhin gefordert werden. So hat sich das aus 100 Organisationen bestehende Bündnis „AGG-Reform-Jetzt!“ gebildet, das kürzlich die gemeinsame Stellungnahme „Mehr Fortschritt wagen heißt auch mehr Antidiskriminierung wagen!“ vorgelegt hat. Damit wird auf den Koalitionsvertrag der Ampelkoalition angespielt, den SPD, Grüne und FDP „Mehr Fortschritt wagen“ genannt hatten.
Was sind zentrale Kritikpunkte am heutigen AGG?
Ein zentraler Kritikpunkt ist die schwierige Rechtsdurchsetzung. Wer beispielsweise wegen seines Alters mehr für eine Reiseversicherung zahlen muss oder wer allein aufgrund seines Namens eine Stelle nicht bekommt, wird auch nach heutigem AGG diskriminiert. Allerdings sind die Hürden, diesen Anspruch auf Nicht-Benachteiligung auch durchzusetzen, sehr hoch. So beträgt zum Beispiel die Frist zur Geltendmachung gerade einmal zwei Monate. Sich in dieser Frist möglicherweise zunächst rechtlich beraten zu lassen und den Rechtsanspruch durchzusetzen ist kaum möglich. Viele scheuen auch die mit einem oft langwierigen Verfahren einhergehenden finanziellen und emotionalen Belastungen. „Diskriminierung wird daher in den meisten individuell erlebten Fällen nicht sanktioniert“, stellen die Organisationen in ihrer Stellungnahme fest und fordern einen kollektiven Rechtsschutz. Das hieße, dass nicht nur Einzelpersonen, sondern auch Verbände klagen könnten.
Zudem bemängeln die 100 unterzeichnenden Akteur*innen, dass das Gesetz nur für Beschäftigung, Güter und Dienstleistungen gelte, nicht aber für den Staat gegenüber seiner Bürger*innen. „Diskriminierungen im Bereich der Ämter und Behörden werden von Betroffenen als besonders gravierend empfunden, da sie im Namen des Staates erfolgen und in einem Kontext stattfinden, der von einem hohen Machtgefälle und Abhängigkeitsverhältnis geprägt ist“, argumentiert das Bündnis. Deshalb sei es nicht nachvollziehbar, warum ein schwächerer Diskriminierungsschutz besteht, wenn es sich um staatliche Diskriminierung handele.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass einige Diskriminierungskategorien fehlen. Das Bündnis plädiert zum Beispiel dafür, den sozialen Status ins AGG aufzunehmen. Das würde Stigmatisierungen aufgrund von Geringverdienenden, Wohnungslosen oder Alleinerziehenden ausdrücklich als Diskriminierungskategorie aufnehmen und davor schützen. Auch „Chronische Krankheit“ solle nach Auffassung der Organisationen als Diskriminierungsgrund im AGG aufgeführt werden.
Zudem wird angeraten, die Kategorie „Alter“ in „Lebensalter“ umzuformulieren, da sonst der Eindruck entstehen könne, es gehe allein um ältere Menschen. Doch auch junge Menschen können aufgrund ihres Lebensalters Diskriminierung erfahren. Diesen Aspekt hatte auch die Evaluation von 2016 bereits empfohlen.
Wie geht es weiter?
Ob und wann die Bundesregierung eine Novellierung des Gesetzes in Angriff nimmt, bleibt abzuwarten. Die Organisationen, die die Stellungnahme unterzeichnet haben, kündigen jedenfalls an, die Reform kritisch zu begleiten und zu unterstützen. Mit ihren Empfehlungen stellen sie ihre Erfahrung und Expertise zur Verfügung, formulieren aber auch eine klare Erwartung: „Betroffene von Diskriminierung erwarten, dass Diskriminierung anerkannt wird, dass sie Rechte haben, um gegen Diskriminierung vorzugehen und dass diese Rechte auch durchsetzbar sind und nicht nur auf dem Papier stehen.“