Wer bislang über 63 Jahre alt war und Arbeitslosengeld II – besser bekannt als „Hartz IV“ – beantragt hat, konnte unter bestimmten Umständen durch das Jobcenter mit Abschlägen in die Altersrente geschickt werden. Diese Praxis soll sich mit der Bürgergeld-Reform zum Jahreswechsel ändern.
Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Bürgergeld sollen die sog. Zwangsverrentungen bald der Vergangenheit angehören. Wer das 63. Lebensjahr vollendet hat und die 35-jährige Wartezeit in der Deutschen Rentenversicherung erfüllt und dann zum Jobcenter geht, kann nach geltender Rechtslage vorzeitig in die Altersrente geschickt werden, auch, wenn man das gar nicht möchte. Denn der vorzeitige Renteneintritt ist mit Abschlägen verbunden. 0,3 Prozent sinkt der Rentenanspruch für jeden Monat, den Sie eher in Rente gehen. Das Jobcenter kann Ihnen dennoch Leistungen mit dem Verweis auf einen Rentenantrag versagen.
Diese Praxis soll es künftig nicht mehr geben. Allerdings zunächst zeitlich begrenzt. So soll § 12a SGB II künftig um folgenden Satz ergänzt werden: „Für die Zeit vom 1. Januar 2023 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2026 findet Satz 2 Nummer 1 mit der Maßgabe Anwendung, dass Leistungsberechtigte nicht verpflichtet sind, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen.“ Der Referentenentwurf aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hatte noch eine unbefristete Abschaffung vorgesehen. „Wie das Prozedere im Anschluss weitergehen soll, wissen wir noch nicht“, heißt es dazu vom Sozialverband Deutschland (SoVD) Landesverband Schleswig-Holstein. „Die Politik hat sich mit dieser Formulierung eine Hintertür gelassen, mit der das Instrument der Zwangsrente ab 2027 wiederbelebt werden kann.“
Der schleswig-holsteinische Landesverband des SoVD weist aber auch auf Ausnahmen hin, die auch bis zur Reform Betroffene vor der Zwangsrente durch die Jobcenter schützen. Wer beispielsweise zusätzlich zum Arbeitslosengeld II auch Arbeitslosengeld I bezieht, kann nicht in die vorzeitige Altersrente gezwungen werden. Gleiches gilt auch, wenn die vorgezogene Rente mit Abschlägen so niedrig wäre, dass sie mit Grundsicherungsleistungen aufstocken müssten.
Da die Bürgergeld-Reform zum Jahreswechsel in Kraft treten soll, wird auch die Zwangsverrentung planmäßig zum 1. Januar 2023 abgeschafft. Allerdings wurde das Gesetz noch nicht verabschiedet, am 13. Oktober ist die erste Beratung im Bundestag geplant. Von Seiten der Bundesarbeitsagentur wird eine rechtzeitige Umsetzung aufgrund des engen Zeitplans bereits in Frage gestellt und eine Verschiebung gefordert.