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15. September 2016

Beispielsweise… Mitfahrerbank

Als erstes Projekt unserer Reihe Beispielsweise… wollen wir Ihnen die Idee der Mitfahrerbank, andernorts auch Mitfahrbank genannt, vorstellen. Dazu sprachen wir mit der Ideengeberin aus Speicher, einer Verbandsgemeinde (VG) in Rheinland-Pfalz. Lesen Sie hier mehr über die Erfahrungen mit den Mitfahrbänken und ergänzende Projekte zum Thema Mobilität auf dem Lande.

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Die Ideengeberin Ursula Berrens ist in der örtlichen Anlaufstelle für Senioren und in dem Netzwerk für Mobilität in der VG Speicher tätig. Durch das Netzwerk wurde im August 2014 die Pilotbank an dem Rathaus des Ortes Speicher aufgestellt. Mit der Pilotbank sollte auch erfasst werden, ob die Mitfahrbank als solche akzeptiert und genutzt wird. Umfragen zum Thema wurden auch durch geführt, waren aber weniger aufschlussreich als das tatsächliche Erproben der Idee.

An der Pilotbank am Rathaus kann man über drei verschiedene Schilder die Intention der Sitzenden deutlich machen: Bahnhof, Bitburg oder Pause. Der Bahnhof Speicher liegt 3 Kilometer entfernt, durch die Steigung ist der Fußweg sehr anspruchsvoll. Am Bahnhof steht inzwischen eine weitere Bank, welche vor allem bei ankommenden Zügen genutzt wird. Nach einer Preisverleihung für die Pilotbank wurden weitere Mitfahrbänke in der Region geplant:

In Kyllburg, eine weitere Ortschaft des gleichen Landkreises, stehen drei Mitfahrbänke. Sie sind orange und unbeschildert, der Richtungswunsch wird durch den Standort klar: Am Ortsausgang in die Richtung des nächsten Ortes oder von Einkaufsmöglichkeiten aus in den Ort. Weitere beschilderte Mitfahrbänke stehen in Ortsgemeinden der VG Speicher, so zum Beispiel in Auw an der Kyll. Insgesamt stehen in Speicher inzwischen 13 Mitfahrbänke.

Vorhandenen Mitfahrbänke werden in einer Art Routenplaner-App aufgenommen. Auf der Karte auf der Homepage der Mitfahrbank werden die Mitfahrbänke aus Speicher und Umgebung angezeigt. Man kann dort aber auch andere Regionen bzw. Bundesländer anzeigen lassen. Bisher hat diese Möglichkeit die Gemeinde Graben-Neudorf aus dem Landkreis Karlsruhe genutzt. Menschen, die weitere Mitfahrbänke organisieren, sind herzlich eingeladen, ebenfalls „ihre“ Mitfahrbänke dort eintragen zu lassen. So könnte langfristig ein Netz aus Mitfahrbänken entstehen.


Mit dem Aufstellen der Bänke werden verschiedene Ziele verfolgt. Das Busnetz soll nicht ersetzt, sondern ergänzt werden. Denn dem Busnetz auf dem Land fehlt häufig eine vernünftige, alltagstaugliche Taktung. Ein Netz aus Mitfahrbänken kann zur verstärkten Vernetzung zwischen und innerhalb von Gemeinden führen. So werden Feiern oder Messen für BewohnerInnen erreichbarer.

Der Ort, an dem die Bank aufgestellt wird, kann Einfluss auf die Nutzung haben. So führt ein durch andere gut sichtbares Einsteigen in ein möglicherweise unbekanntes Auto zu sozialer Sicherheit. Manche Bänke sind zu bestimmten Zeiten nutzbar: An Einkaufszentren führen die Öffnungszeiten, an Bahnhöfen die Ankunftszeiten der Züge zur zeitlichen Fokussierung.


Über die tatsächliche Nutzung lassen sich nur begrenzt Aussagen treffen, Frau Berrens erreichen als Rückmeldung vor allem Geschichten. Erfahrungen sind, dass bekannte und vertraute Menschen schneller mitgenommen werden, in der Rush Hour sind die Wartezeiten kürzer. In kleineren Orten ist das Verkehrsaufkommen zwar geringer, aber fast jedeR AutofahrerIn nimmt Wartende mit. Allgemein ist eine höhere Bereitschaft zu beobachten, wartende Menschen mitzunehmen, als sich selbst auf die Bank zu setzen. Für Wartende lässt sich empfehlen, ein Vorbeifahren von Autos nicht als soziale Auswahl zu verstehen. Allgemein lässt sich aber klar sagen, dass Mitfahrbänke kein Massentransportmittel darstellen können.

Zur Weiterentwicklung der bereits stehenden Mitfahrbänke in der Region gibt es noch einige Ideen: In Bitburg, dem größten Ort in der näheren Umgebung, könnten Mitfahrbänke für den Rückweg aufgestellt werden. Die Beschilderung der Bänke sollte regelmäßig überprüft werden und bei Bedarf angepasst werden. So kann es passieren, dass bestimmte Ort oder Richtungen nicht berücksichtigt werden, diese jedoch von einigen AnwohnerInnen gewünscht werden.


In der VG Speicher gibt es noch weitere Überlegungen und Projekte, wie Mobilität in ländlichen Regionen verbessert werden kann. Bei allen Ideen und Projekten lassen sich die beiden wichtigsten Fragen nach dem vorhandenen Bedarf und der Finanzierung stellen.

Nahe an der Idee der Mitfahrbank ist die Ausruhebank. Diese soll FußgängerInnen eine Möglichkeit zur Pause geben. Dazu können AnwohnerInnen eine private Bank an Haus oder Gehweg stellen. An ihr wird ein Schild, welches von der Anlaufstelle für Senioren zur Verfügung gestellt wird, angebracht. Damit werden PassantInnen zum Hinsetzen eingeladen. AnwohnerInnen und PassantInnen ergibt sich dadurch auch eine unkomplizierte Möglichkeit, um in Kontakt zu kommen. Mobilität und Kommunikation werden so verknüpft. Einer, manchmal auch in kleineren Ortschaften zu beobachtende, zunehmende Anonymität soll damit ebenfalls entgegengewirkt werden.

Allgemein geht es bei einem Mobilitätskonzept um das Reduzieren von Barrieren. Dazu könnten z.B. auch Planungsverantwortliche ein Rollatortraining absolvieren, um selbst zu erfahren, welche Barrieren im Alltag aufkommen können.

Eine Analyse des Busfahrplans und des Busverkehrs kann zeigen, wie Busse in Orten genutzt werden könnten und wie sie tatsächlich genutzt werden. Idealerweise führt dies zu einer Veränderung und Verbesserung des Busfahrplanes. Es können aber auch Bedarfe deutlich werden, die gezielter gedeckt werden sollten.

Ein Rufbus kann solche unerfüllten Bedarfe decken. In der VG Speicher fährt zur Zeit ein solcher Rufbus an einem Tag in der Woche, Zielgruppe sind vor allem BewohnerInnen einer SeniorInneneinrichtung. Die ehrenamtlichen FahrerInnen sind über den Besuchsdienst der Caritas versichert. Eine logistische Zentrale nimmt die Wünsche auf und koordiniert, wenn möglich, die Fahrten.

Noch gezielter sind sogenannte Eventshuttles, welche nur zu bestimmten Anlässen verkehren. Aber all diese Ideen sollten keinen Ersatz für einen öffentlichen Personennahverkehr mit einer alltagstauglichen Taktung darstellen. Sowohl Mitfahrbänke als auch die hier aufgeführten Ideen sollen ein charmantes, leicht nutzbares Angebot für persönliche Freiheit darstellen. Als Ziel gilt, neben erhöhter Mobilität, der Isolation und Vereinzelung entgegenzuwirken.

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